Hoffnungslose Mitarbeiterin

Stellen Sie sich vor, Sie sind seit 44 Jahren Mitarbeiter einer Firma und werden kurz vor der Pensionierung entlassen und dies ohne zureichende Gründe. Genau diesen Fall hatte das Bundesgericht zu behandeln (BGE 132 III 115) und hat dem Arbeitnehmer Recht gegeben, denn es lag eine missbräuchliche Kündigung vor. Doch wann genau handelt es sich um eine missbräuchliche Kündigung? Hier lohnt sich ein Blick auf Praxisbeispiele. Eine missbräuchliche Kündigung hat Entschädigungsfolgen, wobei der Mitarbeiter auf das Verfahren und die Fristen zu achten hat. 

Das Schweizer Recht schreibt vor, dass eine missbräuchliche Kündigung zwar das Arbeitsverhältnis beendet, jedoch zu einem Entschädigungsanspruch (Art. 336a Abs. 1 OR) führt.

Reguläre Gründe

Das Gesetz regelt, was als missbräuchlich gilt (Art. 336 Abs. 1 OR):

  • Kündigung aufgrund einer persönlichen Eigenschaft (bspw. Geschlecht, Sexualität, Nationalität, Alter oder Familienstand), ausser
    • sie steht in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, oder
    • beeinträchtigt die Zusammenarbeit im Unternehmen wesentlich;
  • Kündigung aufgrund der Ausübung von verfassungsmässigen Rechten (bspw. Meinungsäusserungsfreiheit, Glaubensfreiheit oder Unterstützung von Initiativen), ausser
    • dies verletzt eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, oder 
    • beeinträchtigt die Zusammenarbeit im Unternehmen wesentlich;
  • Kündigung wegen Erfüllung der obligatorischen Militärdienstpflicht, Leistung von Zivildienst oder Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht.
  • Kündigung, weil Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben geltend gemacht werden, sog. Rachekündigung (bspw. Whistleblowing).

Spezielle Gründe

Das Gesetz regelt weitere Gründe, welche als missbräuchlich gelten (Art. 336 Abs. 2 OR):

  • Gewerkschaft als Kündigungsgrund:
    •  Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft (Arbeitnehmerverband),
    • keine Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft (Arbeitnehmerverband),
    • Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit;
  • Kündigung eines gewählten Arbeitnehmervertreters ohne begründeten Anlass;
  • Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer, konsultiert worden sind (Art. 336 OR)

Treu und Glauben

Eine Kündigung, die gegen Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) verstösst, gilt ebenfalls als missbräuchliche Kündigung. Als Beispiel dazu können folgende Bundesgerichtsentscheide zitiert werden:

  • Kündigung des Arbeitnehmers ohne zureichende Gründe nach 44 Jahren im Betrieb und dies kurz vor Erreichung seines Pensionsanspruchs (BGE 132 III 115);
  • Kündigung des Arbeitnehmers aufgrund seiner Rauchallergie, ohne dass sein Arbeitgeber zu seinem Schutz das Zumutbare unternommen hat (BGE 132 III 257). 

Voraussetzung für die Entschädigung

Eine missbräuchliche Kündigung beendet normalerweise das Arbeitsverhältnis. Ist die Einsprache (siehe „Verfahren und Fristen“) jedoch gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so kann die gekündigte Partei Entschädigung geltend machen. (Art. 336b OR)

Wer bezahlt die Entschädigung

Derjenige, der dem anderen missbräuchlich kündigt, muss ihm eine Entschädigung ausrichten. (Art. 336a Abs. 1 OR)

Höhe der Entschädigung

Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt. Die Entschädigung darf nicht höher sein, als sechs Monatslöhne. (Art. 336a Abs. 2 OR) Bei einer missbräuchlichen Kündigung im Zusammenhang mit einer Massenentlassung sind es zwei Monatslöhne. (Art. 336a Abs. 3 OR). Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:

  • Verschulden des Kündigenden;
  • Mitverschulden des Gekündigten;
  • wie wurde die Kündigung ausgesprochen;
  • Dauer des Arbeitsverhältnisses;
  • wirtschaftliche Folgen für den Entlassenen;
  • Alter des Entlassenen;
  • Situation auf dem Arbeitsmarkt;
  • die wirtschaftliche Lage beider Parteien;
  • Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit des Gekündigten.

Weitere Schadenersatzansprüche

Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtsgrund sind weiterhin möglich. (Art. 336a OR)

Grundsatz

Es sind zwei Fristen zu beachten:

  • Einsprachefrist und
  • Klagefrist.

Einsprache

Die Einsprache muss bis spätestens zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden eingereicht werden. Die Einsprache muss schriftlich sein und bis spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses eintreffen. (Art. 336b OR) Die Zürcher Gerichte bieten solch ein Muster einer Einsprache an.

Klage

Die Klage muss vom Gekündigten innert 180 seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben werden. Es reicht, wenn die Klage am letzten Tag der Frist der Post übergeben wird (Tipp: auf Poststempel achten). Wird diese 180-Tages-Frist verpasst, so ist der Entschädigungsanspruch verwirkt, d.h. es kann nicht mehr geklagt werden. (Art. 336b OR)

Kündigung aufgrund des Partners

Eine Arbeitnehmerin war mit ihrem Freund in der selben Firma tätig. Ihr Freund verliess die Firma und wechselte zur Konkurrenz. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin der Arbeitnehmerin mit der Begründung, dass vertrauliche Informationen ausgetauscht werden könnten. Das Arbeitsgericht Zürich entschied jedoch, dass dies eine missbräuchliche Kündigung ist, da das blosse Risiko einer Pflichtverletzung nicht ausreicht. Es müsste eine begründete naheliegende Gefahr einer solchen Pflichtverletzung vorliegen. (Arbeitsgericht Zürich, AN010428 vom 4.10.2001)

Kündigung aus religiösen Gründen

Einer Arbeitnehmerin aus Marokko wurde gekündigt, weil sie während der Arbeitszeit ein Kopftuch trug. Das Gericht kam zum Schluss, dass dies unter die Religionsfreiheit fällt. Die Kündigung galt als missbräuchlich. (Bezirksgericht Arbon, Urteil vom 17.12.1990)

Rachekündigung

Frau Weber leistet seit mehreren Wochen Überstunden und spricht ihren Chef darauf an, ob sie diese ausbezahlt haben kann, damit sie sich schöne Ferien leisten kann. Der Chef findet dies eine Frechheit, da die Firma durch schwere Zeiten muss. In der folgenden Woche hat Frau Weber die Kündigung auf dem Tisch. Da Frau Weber nur ihre vertraglichen Ansprüche nach Treu und Glauben durchsetzen wollte und sie dafür entlassen wurde, handelt es sich um eine missbräuchliche Kündigung. 

Das Gesetz regelt, was als missbräuchliche Kündigung gilt (Art. 336 Abs. 1 OR). Dazu zählen u.a. die Kündigung aufgrund persönlicher Eigenschaften, Erfüllung des Militärdienstes oder weil Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben geltend gemacht werden (sog. Rachekündigung). Eine Kündigung, die gegen Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) verstösst, gilt ebenfalls missbräuchliche Kündigung.  Eine missbräuchliche Kündigung bleibt eine rechtskräftige Kündigung, jedoch entsteht ein Entschädigungsanspruch. 

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