Gemeinsame Vereinbarung 

Ein Aktionärbindungsvertrag (ABV) existiert heutzutage bei den meisten Aktiengesellschaften, die von mehreren Aktionären gehalten werden. Dies entspringt dem Bedürfnis, klare Verhältnisse zwischen den Aktionären zu schaffen, die über die statutarische Regelungsmöglichkeiten hinausgehen. Die damit konkret verfolgten Ziele hängen von den involvierten Aktionären ab. Der ABV ist gesetzlich nicht geregelt. Der Inhalt bestimmt sich weitestgehend nach den Bedürfnissen der beteiligten Aktionären, wobei gewisse Klauseln für alle Aktionärsbindungverträge Sinn machen. Der Vertrag entfaltet nur zwischen den Parteien Wirkung. Der Aktionärsbindungvertrag kann befristet oder unbefristet geschlossen werden-

Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft, weshalb sich die Rechte und Pflichten des einzelnen Aktionärs nicht an dessen persönlichen Eigenschaften, sondern an der anteiligen Kapitalbeteiligung orientieren (Art. 620 OR). Die Statuten (Art. 626 OR) können bis zu einem gewissen Grad das Verhältnis der Aktionäre untereinander regeln, aber sind in ihrer möglichen inhaltlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten begrenzt. Mit einem Aktionärsbindungvertrag ist es hingegen möglich, klare Verhältnisse zwischen den Aktionären zu schaffen. Sei es zur Festlegung von Stimmbindungen, Konkurrenzverboten oder Erweiterungen der Aktionärsrechte (und -pflichten). 

Ausgangslage

Statuten ermöglichen nur in einem sehr begrenzten Rahmen, die Aktionäre zu verpflichten, oder ihnen weitergehende Rechte zuzuweisen. Insbesondere kann nicht einzelnen Aktionären unterschiedliche Pflichten auferlegt werden.

Verfolgte Ziele 

Je nach Aktionariat, bzw. involvierten Aktionären, werden unterschiedliche Zielsetzungen mit einem Aktionärsbindungvertrag verfolgt, was sich in unterschiedlichen Vertragsklauseln niederschlägt. Die häufigsten Ziele sind dabei:

  • Stimmbindungsvertrag
  • Regelung der Beteiligungsverhältnisse
  • Konkurrenzklauseln (d.h. Verbote)
  • Weitergehende Haftungspflichten
  • Nachschusspflichten
  • Nachfolgeregelung

Bezeichnung

Der Aktionärsbindungvertrag kennt aufgrund seiner fehlenden gesetzlichen Regelung verschiedene Bezeichnungen, wie bspw. Aktionärssyndikat, Stimmbindungsvertrag oder Poolvertrag. Obwohl es bei der Beurteilung eines Vertrages zwar nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf den Inhalt ankommt (Art. 18 OR), sollte zur Vermeidung von Missverständnissen der Begriff „Aktionärsbindungvertrag“ verwendet werden. 

Regelung im Aktienrecht

Der Gesetzgeber hat zwar keine eigenständige Regelung des Aktionärsbindungvertrages im Aktienrecht vorgenommen, jedoch ist sich die Rechtsprechung, Lehre und Praxis einig, dass sie zulässig sind. Dies entspricht auch dem tatsächlichen Bedürfnis, da sie kaum mehr wegzudenken sind. Da eine gesetzliche Regelung fehlt, muss der jeweilige Aktionärsbindungvertrag basierend auf seinen Elementen ausgelegt und qualifiziert werden. Dabei kommen drei Arten in Betracht:

  • Einseitiger Schuldvertrag
  • Zweiseitiger Schuldvertrag
  • Gesellschaftsvertrag

Einseitiger Schuldvertrag

Diese Auslegung macht insb. bei Aktionärsbindungverträgen im Zusammenhang mit der Vergabe von Mitarbeiteraktien Sinn, da damit primär die Rückgabe der Aktien geregelt wird.

Zweiseitiger Schuldvertrag

Besteht der Aktionärsbindungvertrag primär aus Austausch von Leistungen, ohne dass dabei die gemeinschaftliche Erreichung eines gemeinsamen Zieles im Vordergrund steht, so sollte die Auslegung nach Kaufrecht erfolgen. 

Gesellschaftsvertrag

Besteht das primäre Ziel des Aktionärsbindungvertrages in der Erreichung eines gemeinsamen Gesellschaftszieles mittels abgestimmten Verhaltens, so liegt eine Auslegung nach Gesellschaftsrecht nahe. Dies ist bspw. bei solchen Verträgen der Fall, bei denen die Stimmbindung das zentrale Element ist. 

Formvorschriften

Der Aktionärsbindungvertrag unterliegt keiner besonderen Formvorschrift, wird in der Regel jedoch schriftlich geschlossen. (Art. 11 OR)

Zulässiger Inhalt

Der ABV unterliegt wie jeder Vertrag der Vertragsfreiheit (Art. 1 OR) und findet seine Schranken im Verbot der übermässigen Bindung (Art. 27 ZGB). Der Inhalt kann in den Schranken des Gesetzes frei vereinbart werden (Art. 19 Abs. 1 OR), solange dieser nicht gegen die öffentliche Ordnung, guten Sitten oder Persönlichkeitsrecht verstösst (Art. 19 Abs. 2 OR).

Basisinhalt

Ausgehend von Erfahrungswerten können folgende Vertragsbestandteile empfohlen werden, wobei jedoch stets darauf zu achten ist, welche Personen den ABV schliessen und zu welchem Zweck dieser vereinbart wird:

  • Präambel
  • Grundlagen des Vertrages
  • Vertragsdauer
  • Konventionalstrafe
  • Salvatorische Klausel
  • Rechtsnachfolge
  • Anwendbares Recht, Gerichtsstand und Schiedsgericht

Präambel

Die Präambel ist eine Absichtserklärung, welche eine allfällige Lückenfüllung im Sinne der Parteien begünstigt.

Grundlagen des Vertrages

Die Grundlagen des Vertrages legen im Sinne einer einvernehmlichen Beurteilung der Lage die Verhältnisse offen, die zum Vertrag geführt haben. Dies kann Unsicherheiten in einem allfälligen späteren Prozess verkleinern.

Vertragsdauer

Verträge können sowohl unbefristet, als auch befristet ausgestaltet werden, wobei das Verbot der übermässigen Bindung (Art. 27 ZGB) zu beachten ist. Es ist zu empfehlen, sowohl die reguläre Kündigung, als auch die ausserordentliche Kündigung zu regeln.

Konventionalstrafe

Zur Absicherung des Vertrages empfiehlt sich die Vereinbarung einer Konventionalstrafe. Aufgrund der gesetzlichen Vermutung sollte zudem vereinbart werden, dass die Konventionalstrafe zusätzlich zum Erfüllungsanspruch hinzutritt (Art. 160 Abs. 1 OR).

Salvatorische Klausel

Bei Teilnichtigkeit einer Klausel muss stets über die Auslegung des hypothetischen Parteiwillens eruiert werden, ob davon der ganze Vertrag betroffen ist, oder ob die nichtige Klausel ergänzt werden soll. Die salvatorische Klausel nimmt diese Entscheidung zugunsten der Annahme der Teilnichtigkeit ab und beauftragt den Richter mit der Lückenfüllung im Sinne der Präambel anhand der wirtschaftlich naheliegendsten Regelung.

Rechtsnachfolge 

Im Todesfall gilt im Zusammenhang mit der einfachen Gesellschaft die Vermutung, dass sie aufgelöst wird (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 OR), ausser die Rechtsnachfolge ist vereinbart. Eine solche Vereinbarung empfiehlt sich, falls die Auslegung des ABV auf Gesellschaftsrecht schliessen lässt.

Anwendbares Recht, Gerichtsstand und Schiedsgericht

Der vereinbarte Gerichtsstand (Art. 17 Abs. 1 ZPO) kommt dann zum Tragen, wenn kein zwingender Gerichtsstand vorliegt (Art. 9 Abs. 1 ZPO). In internationalen Verhältnissen können die Parteien zudem das anwendbare Recht oftmals selber festlegen (Vertragsrecht: Art. 116 Abs. 1 IPRG), jedoch nicht immer (Gesellschaftsrecht: Art. 154 IPRG). Die Parteien können desweiteren die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes vereinbaren, da es sich bei Angelegenheiten des ABV um schiedsfähige Streitsachen handelt (Art. 61 lit. c ZPO).

Weitere Klauseln

Da mit dem Aktionärsbindungvertrag verschiedene Ziele verfolgt werden können, gibt es unterschiedliche Klauseln, die in Betracht kommen können:

  • Ausübung des Stimmrechts
  • Zusammensetzung des Verwaltungsrates
  • Konkurrenzklauseln
  • Vorkaufsrechte

Ausübung des Stimmrechts

Die Bündelung der Stimmrechte von Minderheitsaktionären kann ein starkes Motiv sein, welches den Abschluss von ABV begünstigt. Dies kann darin resultieren, dass sie sich verpflichten, vor der Stimmabgabe abzusprechen.

Bei zerstrittenen 2-Mann-Aktiengesellschaften gibt es zudem die Möglichkeit der treuhänderischen Zuweisung von Aktien an einen unabhängigen Dritten, der ohne Weisungsbefolgungspflicht unabhängig im Sinne der Gesellschaft entscheidet. 

Zusammensetzung des Verwaltungsrates

Bestehen mehrere Kategorien von Aktien (in Bezug auf Stimmrecht oder vermögensrechtliche Ansprüche), so müssen diesen statutarisch die Wahl von mindestens einem Vertreter in den Verwaltungsrat gesichert werden. (Art. 709 Abs. 1 OR)

Dies bedeutet jedoch nicht, dass bestimmten Aktionären ein Anrecht auf einen Verwaltungsratsitz statutarisch eingeräumt werden kann. Dies muss über ein Aktionärsbindungvertrag geschehen.

Konkurrenzklauseln

Dem Aktionär können keine weiteren Pflichten auferlegt werden, als die Aktien zu liberieren. Weitergehende Pflichten können auch nicht durch Statuten auferlegt werden (Art. 680 Abs. 1 OR). Der ABV gibt jedoch Abhilfe, da er personalistisch geprägt ist und deshalb Konkurrenzklauseln in einem ABV vereinbart werden können.

Vorkaufsrecht

Im Zusammenhang mit ABV steht es den Parteien u.a. offen festzulegen,

  • wann ein Vorkaufsfall eintritt,
  • wie der Kaufpreis festgelegt wird, 
  • wer vorkaufsberechtigt ist,
  • in welchem Umfang der Vorkauf besteht und
  • weitere Modalitäten. 

Aktionärsbindungverträge entfalten nur zwischen den Vertragsparteien und nicht gegenüber der Gesellschaft und auch nicht gegenüber den nicht-involvierten Aktionären Wirkung. Dies bedeutet, dass selbst bei Vorliegen einer offenkundigen Verletzung des ABV nur die Parteien dagegen vorgehen können. Verletzt eine Vertragspartei bspw. die Stimmbindungsklausel, so ist deren Stimmabgabe gültig erfolgt und die Vertragsparteien können nicht gegen das Ergebnis, sondern nur gegen die vertragsbrüchige Partei vorgehen.

Grundsatz

Der ABV kann auf bestimmte oder auf unbestimmte Dauer geschlossen werden. Wurde der Vertrag auf unbestimmte Dauer geschlossen, so ist das Verbot der übermässigen Bindung (Art. 27 ZGB) zu beachten.

Verbot der übermässigen Bindung

Dies schliesst lange Verträge nicht aus, sondern erlaubt lediglich keine Verträge, die die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit übermässig einschränken. Im Zusammenhang mit ABV sind deshalb ewige Verträge verboten. In BGE 114 II 159 erachtete das Bundesgericht einen Vertrag nach spätestens 20 Jahren als kündbar. Dies gilt auch für ewige ABV.

Vertrag auf Lebenszeit

Gesellschaftsverträge sind von jedem Gesellschafter auf sechs Monate hin kündbar (Art. 546 Abs. 1 OR), wenn sie auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen wurden. Die Vereinbarung einer anderen Kündigungsfrist ist selbstverständlich zulässig. 

A, B und C gründen gemeinsam eine Aktiengesellschaft, wobei A 20% der Aktien hält, B und C je 40%. Keiner der Aktionäre kann alleine eine Mehrheit erreichen, weshalb A und B beschliessen, einen Aktionärsbindungvertrag zu schliessen, um ihr Vorgehen aufeinander abzustimmen. Insbesondere verpflichten sie sich, sich jeweils gegenseitig in den Verwaltungsrat zu wählen. Als C vom ABV erfährt, ist er erbost darüber und möchte diesen verbieten. Dies geht jedoch nicht, da er Partei des ABV ist.  

Ein Aktionärsbindungvertrag (ABV) existiert heutzutage bei den meisten Aktiengesellschaften, die von mehreren Aktionären gehalten werden. Dies entspringt dem Bedürfnis, klare Verhältnisse zwischen den Aktionären zu schaffen, die über die statutarische Regelungsmöglichkeiten hinausgehen. Die damit konkret verfolgten Ziele hängen von den involvierten Aktionären ab. 

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Kommentare

  1. Roberto

    Der Satz „Als C vom ABV erfährt, ist er erbost darüber und möchte diesen verbieten. Dies geht jedoch nicht, da er Partei des ABV ist.“ ergibt wenig Sinn, denn C ist ja eben nicht Partei des ABV.

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