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Vreni Meier ist Aktionärin bei einer Aktiengesellschaft. Diese hat für die nächste Generalversammlung eine Kapitalerhöhung in die Traktandenliste aufgenommen. Vreni Meier möchte ihre bisherige „Beteiligungsquote“ unbedingt halten. Doch steht ihr als Aktionärin ein Bezugsrecht zu?

Grundsätzlich haben Aktionäre bei Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht, um ihre bisherige Beteiligungsquote halten zu können. Es gibt verschiedene Arten der Kapitalerhöhung, mit unterschiedlichem Ablauf. Der Aktionär hat drei Möglichkeiten bezüglich der Wahrnehmung seines Bezugsrechts. In wichtigen Fällen kann dieses jedoch entzogen werden. Da das Bezugsrecht jedoch einen besonderen Schutz geniesst, ziehen Verletzungen dieses wichtigen Aktionärsrechts Folgen nach sich. Um einen Spezialfall handelt es sich beim sogenannten Partizipationskapital.

Grundsätzlich muss den Aktionären bei einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht im Umfang ihrer bisherigen Beteiligung gewährt werden. Dies verhindert, dass sich die „Beteiligungsquote“ der Aktionäre verändert. Bei Vorliegen „wichtiger Gründe“ kann das Bezugsrecht jedoch entzogen werden.

Beteiligungsquote

Die Be­tei­li­gung eines Ak­tio­närs an einer Ge­sell­schaft berechnet sich nach der An­zahl Ak­ti­en kombiniert mit deren Nennwert, die er hält. Dies ist die sogenannte „Beteiligungsquote“.

Aktionärs-Interesse

Wenn das Aktienkapital einer Gesellschaft erhöht wird, so kann der Aktionär daran interessiert sein, einen Teil des neu geschaffenen Kapitals in Form von Aktien zu übernehmen, um dieselbe prozentuale Beteiligung – also Beteiligungsquote – zu behalten. Er hat also Interesse an einem Bezugsrecht.

Grundsätzlich proportionale Gewährung des Bezugsrechts

Wird ihm dieses Recht nicht gewährt, so kann sein Stimmrecht schwinden und seine finanzielle Situation geschwächt werden. Daher steht dem Aktionär grundsätzlich ein Bezugsrecht gemäss seiner bisherigen Stellung zu. (Art. 652b Abs. 1 OR)

Entzug des Bezugsrechts

Wenn die Gesellschaft allerdings legitime Interessen geltend machen kann, so kann dem Aktionär das Bezugsrecht entzogen werden. (Art. 652b Abs. 2 OR)

Schutz des Bezugsrechts

Das Bezugsrecht wird formell und materiell vom Gesetzgeber geschützt. Es kann bisherigen Aktionären also nur aus wichtigen Gründen entzogen werden. (Art. 652b Abs. 2 OR)

Formeller Schutz

Das Bezugsrecht kann nur im Rahmen eines Kapitalerhöhungsbeschlusses der Generalversammlung und nach dessen Genehmigung durch den Verwaltungsrat entzogen werden.

Materieller Schutz

  • Der Entzug des Bezugsrechts kann nur aus „wichtigen Gründen“ erfolgen. (Art. 652b Abs. 2 OR)
  • Kein Aktionär darf in unsachlicher Weise begünstigt oder benachteiligt werden (Art. 652b Abs. 2 OR). Das Prinzip der „Schonenden Rechtsausübung“ muss beachtet werden.

Ordentliche Kapitalerhöhung

Eine ordentliche Kapitalerhöhung erfolgt dann, wenn es deutlich ist, zu welchem Gegenwert die Aktien vergeben werden und von wem sie gezeichnet werden. Der Beschluss zur Kapitalerhöhung wird von den Aktionären in der Generalversammlung vorgenommen. (Art. 650 OR)

Der Ablauf nach dem GV-Beschluss der Kapitalerhöhung sieht folgendermassen aus:

  • Die Aktien werden in einer besonderen Urkunde gezeichnet. (Art. 652 OR)
  • Es erfolgt die Leistung der Einlagen (Art. 652c OR). Es gelten dabei dieselben Bestimmungen wie bei Gründung einer Gesellschaft (Art. 633 OR).
  • Es erfolgt ein Kapitalerhöhungsbericht. (Art. 652e OR)
  • Der Verwaltungsrat meldet die Änderung der Statuten und die Feststellungen, welche er gemacht hat, dem Handelsregister zur Eintragung (Art. 652h OR)

Genehmigte Kapitalerhöhung

Anders als bei der ordentlichen Kapitalerhöhung erfolgt bei der genehmigten Kapitalerhöhung der Beschluss zur Erhöhung des Kapitals nicht durch die Aktionäre, sondern durch den Verwaltungsrat. Die Aktionäre ermächtigen diesen lediglich, das Aktienkapital zu erhöhen. Der Ablauf sieht folgendermassen aus:

  • Die Aktionäre ermächtigen den Verwaltungsrat zur Vornahme einer Kapitalerhöhung und zur Änderung der Statuten. (Art. 651 Abs. 1-3 OR)
  • Der Verwaltungsrat trifft einen Erhöhungsbeschluss. (Art. 651 Abs. 4 OR)
  • Die Kapitalerhöhung wird vom Verwaltungsrat vorgenommen. (Art. 651 Abs. 4 OR)
  • Es erfolgt eine Statutenänderung, um den Nennbetrag des genehmigten Kapitals an den Ermächtigungsstand nach der Kapitalerhöhung anzupassen. (Art. 651a OR)

Bedingte Kapitalerhöhung

Die bedingte Kapitalerhöhung ist – wie der Name bereits sagt – an eine Bedingung oder Voraussetzung geknüpft. Wenn diese Bedingung nicht eintritt, so kommt es auch zu keiner Kapitalerhöhung. Es handelt sich hierbei um ein Instrument für eine mögliche spätere Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital, wenn Wandel- bzw. Optionsanleihen bestehen. Man nennt die bedingte Kapitalerhöhung in der Praxis auch „Aktienkapital-Erhöhung auf Vorrat“, sie erfolgt schrittweise. (Art. 653 Abs. 1 OR)

Wenn die Wandel- bzw. Optionsrechte ausgeübt und verrechnet oder eingezahlt werden, erhöht sich das Aktienkapital ohne weiteres in deren Umfang. (Art. 653 Abs. 2 OR)

Der Nennbetrag, um den das Kapital erhöht werden soll, darf die Hälfte des bisherigen Aktienkapitals nicht übersteigen. (Art. 653a Abs. 1 OR)

Ausübung

Der Aktionär hat, wenn ihm nach einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht zusteht, drei Möglichkeiten. Eine davon ist die Ausübung des Bezugsrechts. In diesem Fall kann er mindestens proportional zu seinem bisherigen Aktienanteil, neue Anteile aufkaufen. Daher ist die Ausübung des Bezugsrechts auch an die Liberierungspflicht gekoppelt. Er muss die Aktien, welche er neu erwerben will, folglich liberieren.

Verzicht

Dem Aktionär steht es allerdings nach einer erfolgten Kapitalerhöhung auch frei, auf sein Bezugsrecht zu verzichten.

Weiterveräusserung

Des Weiteren hat ein Aktionär die Möglichkeit sein Bezugsrecht weiterzuveräussern. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Markt dafür besteht. Dies wird vor allem bei Publikumsgesellschaften der Fall sein.

Bei der ordentlichen und der genehmigten Kapitalerhöhung

Grundsätzlich haben alle Aktionäre ein Bezugsrecht, sowohl bei ordentlicher Kapitalerhöhung als auch bei genehmigter Kapitalerhöhung. (Art. 652b Abs. 1 OR)

Dieses kann jedoch – aber auch nur – aus „wichtigen Gründenaufgehoben werden.

Dies können folgende Fälle sein:

Durch die Aufhebung des Bezugsrechts darf niemand auf unsachliche Weise begünstigt oder benachteiligt werden. (Art. 652b Abs. 2 OR)

Bei der bedingten Kapitalerhöhung

Grundsätzlich gilt Folgendes: Wenn bei einer bedingten Kapitalerhöhung Anleihens- oder andere Obligationen der Art, welche mit Wandel- oder Optionsrechten verbunden sind, ausgegeben werden, müssen diese den bisherigen Aktionären entsprechend deren bisheriger prozentualer Beteiligung zur Zeichnung angeboten werden. (Art. 653c Abs. 1 OR)

Auch dieses sogenannte „Vorwegzeichnungsrecht“ kann aber bei Vorliegen „wichtiger Gründebeschränkt oder aufgehoben werden. (Art. 653c Abs. 2 OR)

Durch die für eine bedingte Kapitalerhöhung erforderliche Aufhebung des Bezugsrechts und die Beschränkung bzw. Aufhebung des Vorwegzeichnungsrechts darf niemand auf unsachliche Weise begünstigt oder benachteiligt werden. (Art. 653c Abs. 3 OR)

Anfechtbarkeit des Generalversammlungsbeschlusses

Wenn eine der formellen oder materiellen Anforderungen zum Schutz des Bezugsrechts nicht beachtet wird, so hat dies Folgen. Eine davon ist, dass der Generalversammlungsbeschluss anfechtbar ist. (Art. 706 OR)

Verantwortlichkeitsklage

Es kann des Weiteren zu einer Verantwortlichkeitsklage kommen, wenn das Bezugsrecht des Aktionärs nicht geschützt wird. (Art. 754 OR)

Definition

Durch die Aktionäre kann dem Aktienkapital ein sogenanntes Partizipationskapital beigefügt werden. In dem Fall haben Aktionäre ein Bezugsrecht wie bei der Ausgabe neuer Aktien. (Art. 656g Abs. 1 OR)

Das Partizipationskapital ist in sogenannte „Partizipationsscheine“ unterteilt. Diese haben einen Nennwert, begründen jedoch kein Stimmrecht. Sie lassen den Inhaber also am Gewinn teilhaben, nicht jedoch an der Gestaltung der Gesellschaft. (Art. 656a OR)

Ausgestaltung

In den Statuten kann vorgesehen werden, das Aktionäre nur Aktien und Partizipanten nur Partizipationsscheine beziehen können, wenn Aktien- und Partizipationskapital zur gleichen Zeit und im selben Umfang erhöht werden. (Art. 656g Abs. 2 OR)

Wenn Aktien- und Partizipationskapital je alleine oder zu ungleichen Teilen erhöht werden, müssen die Bezugsrechte so zugeteilt werden, dass Aktionäre und Partizipanten in gleicher Proportion wie bis anhin beteiligt bleiben können.

1. Der Verwaltungsrat der Mühsam AG will das Kapital des Unternehmens erhöhen. Die Aktionäre der Gesellschaft haben den Verwaltungsrat zur Vornahme einer Kapitalerhöhung und zur Änderung der Statuten ermächtigt. Daraufhin hat dieser einen Beschluss zur Erhöhung des Aktienkapitals gefasst. Es handelt sich hier um eine genehmigte Kapitalerhöhung“, weil der Beschluss vom Verwaltungsrat und nicht von den Aktionären getroffen wurde.

2. In einer Generalversammlung der Wunderlich AG haben die Aktionäre eine Kapitalerhöhung beschlossen. Die Aktien wurden daraufhin von den bisherigen Aktionären zu jeweils proportionalen Anteilen gezeichnet und liberiert. Sie haben von ihrem Bezugsrecht Gebrauch gemacht. Es liegt eine „ordentliche Kapitalerhöhung“ vor, da der Beschluss von den Aktionären gefasst wurde.

3. Moritz Meuchel und Linda Lieb haben ihre Optionsrechte bei der Geistlos AG ausgeübt. Deren Aktienkapital wurde infolgedessen entsprechend erhöht. Es liegt eine „bedingte Kapitalerhöhung“ vor.

Wenn eine Gesellschaft eine Kapitalerhöhung vornimmt, so besteht grundsätzlich ein Bezugsrecht der Aktionäre im Umfang ihrer bisherigen Beteiligung. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die „Beteiligungsquote“ der Aktionäre auf eine ihnen schadende Weise verändert. Wenn „wichtige Gründe“ bestehen, kann das Bezugsrecht jedoch entzogen werden, falls keiner auf unsachliche Weise begünstigt oder benachteiligt wird.

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