Der Selbstbehalt ist der Teil des Kostenbeteiligungsprogrammes, den Sach- und Krankenversicherungsgesellschaften auf die Kunden abwälzen. Manche Selbstbehalte sind vielerorts unbekannt – eine Selbstbehalt-Tücke, die schnell mehr kostet als nur Nerven.

  • In der Krankenkassen-Grundversicherung (KVG)
    • Franchise (CHF 300.- bis 2’500.-)
    • Selbstbehalt (10%, max. 700.- p.a.)
    • Spitalbeitrag (CHF 15.-/Tag)
  • In der Krankenkassen-Zusatzversicherung (VVG)
    • Selbstbehalt 10%
  • In den Sachversicherungen (ebenfalls nach VVG geregelt)
    • gesellschaftsspezifische Selbstbehalte, i.d.R. zwischen CHF 100.- bis CHF 1’000.- 

Wieso gibt es überhaupt einen Selbstbehalt?

Sach- und Krankenversicherungsgesellschaften wälzen einen Teil der zu übernehmenden Kosten auf die Versicherungsnehmer – uns als Kunden – ab. Belohnt werden wir dafür mit günstigeren Beiträgen und Prämien. Grund für die Definierung von Selbstbehalten ist die Aufrechterhaltung von Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft. Gleichzeitig sollen die Selbstbehalte uns zur Vorsicht ermahnen und dafür sorgen, dass wir unsere Versicherungen, für die wir jährlich ein stolzes Sümmchen hinblättern, so selten wie möglich in Anspruch nehmen.

Unterscheidung von fixen und variablen Selbstbehalten

Gewisse Selbstbehalte sind gesetzlich vorgegeben und können nicht verändert werden (z.B. Kostenbeteiligungen in der Krankenversicherung).

Andere Selbstbehalte können vom Versicherungsnehmer auf Wunsch angepasst werden. Insbesondere gilt dies für die Kostenbeteiligungen in den Sachversicherungen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Kosten ich als Versicherungsnehmer bereit bin, im Schadenfall zu tragen, umso geringer wird meine Prämie.

Grundsatz

In aller Regel sind die selbst zu tragenden Kostenbeteiligungen auf Versicherungspolicen festgehalten. Im Detail geht aber oft die Querverlinkung zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) vergessen. Viele Versicherungsgesellschaften definieren den vertraglich festgehaltenen Selbstbehalt als fix, wenn in den AVB nicht anders erwähnt.

Regelung in AVB

In bestimmten (Schaden-)Fällen beziehen sich Versicherungsgesellschaften auf die – meist in ästhetisch unverständlichem Juristendeutsch abgefassten – AVB, was für uns als Kunden schlussendlich einen grösseren Kostenapparat nach sich zieht, da in den AVB höhere Eigenkostenbeteiligungen definiert sind.

Tipp

Ein genaues Nachlesen (lassen) der AVB, der Zusatzbedingungen (ZB) und der Besonderen Bedingungen (BB) schadet daher nicht – diese Zeit kann sprichwörtlich bare Münze wert sein!

Ausgangslage

Herr und Frau Schweizer sparen nach einer Optimierung des Kranken- und Sachversicherungsbereichs CHF 110.- pro Monat. Das sind im Jahr immerhin fast CHF 1´400.-, tolle Sache!

Vorher Nachher
Franchisen: CHF 300.- / Jahresprämie: CHF 6’972.- Franchisen: CHF 1’500.- / Jahresprämie: CHF 5’724
Selbstbehalt Sach: 0.00 / Jahresprämie: CHF 675.- Selbstbehalt Sach: CHF 500.- / Jahresprämie: CHF 580

Autounfall

Wenige Monate später erleidet Herr Schweizer einen Autounfall, bei dem eine weitere Person verletzt wird. Nach einem mehrtätigen Spitalaufenthalt erholt er sich zuhause von seiner Oberschenkelfraktur-OP.

Rechnung

3 Wochen später staunen die Schweizers nicht schlecht, als sie die Rechnungen sehen.

Gesundheitsvorsorge

Anstatt der erwarteten CHF 1’500.- Franchise erwartet die beiden in ihrer Gesundheitsvorsorge ein Betrag von CHF 2’275.-.

  • Von den Operationskosten (rund CHF 11’000.-) werden CHF 1’500.- Franchise abgezogen
  • Am Restbetrag (CHF 9’500.-) hat sich Herr Schweizer mit 10% zu beteiligen – jedoch nicht mehr als CHF 700.- pro Jahr
  • CHF 75.- ergeben sich durch den Spitalbeitrag von CHF 15.- pro Tag seines Aufenthaltes

Privathaftpflichtversicherung

Als wäre das nicht genug, erhalten die beiden von der gemeinsamen Privathaftpflichtversicherung eine Rechnung über CHF 500.- Kostenbeteiligung für den verursachten Schaden an der weiteren Person.

  • Die Privathaftpflichtversicherung deckt im Falle von Herrn Schweizer eine Gesamtsumme von CHF 5’000’000.- ab, die ersten CHF 500.- hat er jedoch selbst zu tragen.

Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung

Die Krönung macht die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung mit einem Kostenbeitrag von CHF 1’000.-

  • Die Reparatur (Ausbeulung der Motorhaube, Ersatz der Scheinwerfer, Lackierung) kostet rund CHF 3’500.-. Davon hat Herr Schweizer die ersten CHF 1’000.- auf Grund seiner Eigenschaft als Neulenker selbst zu bezahlen.

Fazit

Insgesamt dürfen Schweizers also einen Selbstbehaltskostenapparat von CHF 3’775.- begleichen (sog. Selbstbehalt-Tücke).

Es ist zu bedenken: beim ursprünglichen Versicherungsschutz hätte der selbst zu begleichende Betrag CHF 2´075.- nicht überschritten.

Bleibt die Frage: Wurde die Versicherungsoptimierung wirklich im Interesse der Schweizers getroffen?

Günstig und gut

Eine Kombination, die in dieser Form selten(st) funktioniert. Karten auf den Tisch, wir wollen so wenig wie möglich zahlen. Aber die besten Leistungen kriegen. Ein Zielkonflikt? Aber 100%ig. Gesundheit haben wir eine. Die sollte uns auch was sert sein.

Tipp

Besonders im Sachversicherungsbereich wollen viele Versicherungsnehmer die Kosten drücken. Wer gesunden Menschenverstand walten lässt, wird auch in diesem Bereich zum Entschluss kommen, dass CHF 100.- bis CHF 200.- im Jahr Mehrprämie kein Weltuntergang sind – besonders dann nicht, wenn man dafür weiss – Böse Überraschungen sind Vergangenheit!

Unerkannte Kosten entstehen in Windeseile, und nicht selten wird auf die Unwissenheit der Kundschaft gesetzt.

Prüfen Sie vor der nächsten Unterschrift Aufwand und Ertrag genau nach, oder noch besser: Erarbeiten Sie diese mit Ihrem Berater.

Und lassen Sie sich über ihre Kostenbeteiligungen genau aufklären. 

Gefällt Ihnen dieser Artikel?

- Keine Legal-News mehr verpassen

- Nützliche Alltags-Tipps rund ums Recht

- Hintergründe für Private, Unternehmen und Juristen

lexwiki.ch und unsere Autoren können keine Garantie für die Richtigkeit und Vollständigkeit der auf unseren Seiten angezeigten Informationen übernehmen. Die Artikel stellen die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung geltende Rechtslage dar. Leider können wir nicht garantieren, dass jeder Artikel aktuell ist. Die Artikel auf unserer Plattform ersetzen keine Beratung durch einen Rechtsanwalt. lexwiki.ch bietet einen ersten Überblick für Personen mit einer juristischen Frage und dient als Informationsplattform für den an Rechtsfragen interessierten Mitbürger. Um bei juristischen Fragen die richtigen Schlüsse ziehen zu können, ist neben umfangreichem Knowhow im entsprechenden juristischen Bereich die Kenntnis des konkreten Sachverhaltes unabdingbar. Wir möchten Sie daher bitten, basierend auf den auf unserer Plattform zur Verfügung gestellten Inhalten keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und möglichst frühzeitig professionelle Rechtsberatung beizuziehen. Das spart i.d.R. Kosten und verhindert, dass irreversibler Schaden angerichtet wird.

Die Plattform lexwiki.ch bietet insbesondere in der Form von News-Artikeln Autoren die Möglichkeit, ihre Meinungen und Analysen zu spezifischen Fällen und Themen zu veröffentlichen. Die Plattform lexwiki.ch ist unabhängig und ist keinem politischen Spektrum zuzuordnen. Die hier vertretenen und als solche gekennzeichneten Meinungen von Autoren sind ausschliesslich als eben solche zu verstehen. Wir bieten falls gewünscht gerne Hand zu Gegendarstellungen. Bitte kontaktieren Sie uns über die auf allen Seiten zur Verfügung stehende Kommentarfunktion. Die Kommentare werden nicht direkt veröffentlicht.

[wdfb_like_button]

Unser Autor

SVAG Schweizer Vermögensberatung AG

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.