Kauf einer gestohlenen Sache

Macht eine Drittperson ein besseres Recht am Kaufgegenstand geltend, so muss der Käufer unter Umständen den Kaufgegenstand übergeben. Damit er trotz des Fehlverhaltens des Verkäufers nicht schlechter gestellt wird, ist die Anwendung der Rechtsgewährleistung zu prüfen. Diese Rechtsgewährleistung ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen, wie bspw. der fehlenden Kenntnis des Käufers vom Mangel oder dem Bestehen des Rechtsmangel vor Vertragsschluss geknüpft. Macht der Dritte sein Recht geltend (sog. Eviktion), so muss der Käufer grundsätzlich dem Verkäufer den Streit verkündigen, damit ihm keine Rechtsnachteile drohen. Die Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer aufgrund der Eviktion des Dritten sind abhängig vom Ausmass der Entwehrung. Die Rechtsgewährleistung ist zudem von der Sachgewährleistung, Nicht- oder Schlechterfüllung sowie Irrtum und Täuschung abzugrenzen. 

Fahrniskauf

Anvertraute Sachen

Erhält der Verkäufer von einem Dritten eine anvertraute Sache, so könnte er diese Sache einem gutgläubigen Käufer zu Eigentum übertragen. Der gutgläubige Käufer kennt somit die Rechte des Dritten nicht und braucht sie bei genügender Sorgfalt auch nicht zu kennen. Er erwirbt somit unbeschwertes Eigentum (Art. 714 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 933 ZGB). Da der Käufer sachenrechtlich in seinem Eigentum geschützt ist und der Dritte keine Forderung gegen den Käufer geltend machen kann, kommt auch die Rechtsgewährleistung nicht zur Anwendung (Das Schweizerische Obligationenrecht, Guhl/Koller, 2000, § 41 N 2). 

Erhält der Verkäufer von einem Dritten eine anvertraute Sache, so könnte er diese Sache einem bösgläubigen Käufer verkaufen. Der bösgläubige Käufer kennt somit die besseren Rechte des Dritten. Der Käufer geniesst daher keinen Besitzesrechtsschutz, weshalb der Dritte die Sache entziehen kann (Art. 936 ZGB). Dieser Entzug durch den Dritten ermöglicht dem Käufer eigentlich die Anwendung der Rechtsgewährleistung. Da der Käufer die Gefahr beim Kauf jedoch kannte (Art. 192 Abs. 2 OR), fehlt sein Anspruch auf Rechtsgewährleistung. Hätte der Käufer das Recht des Dritten bei gebotener Aufmerksamkeit jedoch bloss kennen müssen, so kann er sich gemäss Lehrmeinung auf die Rechtsgewährleistung berufen (BSK OR I, Honsell, 2011, Art. 192 N 5).

Abhanden gekommene Sachen

Der Besitzer von beweglichen Sachen, die ihm gestohlen, verloren oder gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, kann diese während 5 Jahren von jedem Erwerber herausfordern (Art. 934 Abs. 1 ZGB). Der ehemalige Besitzer kann deshalb die Sache auch von einem gutgläubigen Käufer herausfordern, weshalb diesem dann die Rechtsgewährleistung gegen den Verkäufer offensteht. Nach diesen 5 Jahren hat der gutgläubige Erwerber die Sache ersessen und unbeschwertes Eigentum begründet (Art. 728 Abs. 1 ZGB). 

Wurde die Sache öffentlich versteigert oder durch einen Kaufmann auf einem Markt veräussert, so kann der Eigentümer die Sache nur gegen Vergütung des Kaufpreises herausverlangen (Art. 934 Abs. 2 ZGB). Der Anspruch des gutgläubigen Käufers aus Rechtsgewährleistung reduziert sich im Umfang des erhaltenen Kaufpreises. Der Anspruch aus Rechtsgewährleistung bleibt weiterhin interessant, da auch Zinsen, Verwendungsersatz und Schadenersatz durch den Verkäufer geschuldet sind (Art. 195 OR).

Für Kulturgüter gilt eine 30-jährige Frist zur Ersitzung (Art. 728 Abs. 1ter ZGB) und eine deckungsgleiche 30-jährige absolute Verjährungsfrist (Art. 196a OR).

Rechtskauf

Die Rechtsgewährleistung kommt auch beim Kauf von Forderungen oder anderen Rechten zur Anwendung. Beim Forderungskauf kommen die Vorschriften zur Zession zur Anwendung. Der Zedent kann jedoch die Gewährleistung für den Bestand der Forderung wegbedingen (Art. 171 Abs. 1 OR). Verschweigt er den Rechtsmangel aber arglistig, so kommt die Rechtsgewährleistung (Art. 192 Abs. 3 OR) analog zur Anwendung.

Kauf von Grundstücken

Die Bestimmungen zur Rechtsgewährleistung kommen auch beim Grundstückkauf zur Anwendung. Beim Grundstückkauf gilt jedoch das Prinzip des öffentlichen Glaubens, da der gutgläubige Käufer in seinem Vertrauen auf den Eintrag im Grundbuch zu schützen ist (Art. 973 Abs. 1 ZGB). Die Anwendung der Rechtsgewährleistung beschränkt sich daher auf die Fälle, bei der sich der Verkäufer ausdrücklich zur Gewährleistung verpflichtet (Art. 192 Abs. 2 OR). 

Grundsatz

Der Käufer hat Anspruch auf die Rechtsgewährleistung, wenn 

  • der Rechtsmangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses bestand;
  • der Käufer keine Kenntnis von der Gefahr der Entwehrung hatte;
  • der Kaufgegenstand bereits übergeben wurde;
  • der Kaufgegenstand entwehrt wurde;
  • die Haftung nicht vertraglich beschränkt wurde;
  • die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist.

Rechtsmangel zum Vertragsschluss

Als Rechtsmangel gelten Rechte von Drittpersonen, die dem Recht des Käufers am Kaufgegenstand vorgehen. Dazu zählen subjektive Rechte, absolute Rechte und realobligatorische Rechte. Dieser Rechtsmangel muss bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschluss bestanden haben, damit die Rechtsgewährleistung geltend gemacht werden kann (Art. 192 Abs. 1 OR). Entstand der Rechtsmangel erst nach Abschluss des Vertrages, so liegt eine Nicht- oder Schlechterfüllung vor (Art. 97 Abs. 1 OR)

Kenntnis des Käufers

Kannte der Käufer die Gefahr der Entwehrung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, so ist die Rechtsgewährleistung ausgeschlossen (Art. 192 Abs. 2 OR). Hätte er sie jedoch bloss sorgfältiger Aufmerksamkeit erkennen müssen, so kann er sich trotzdem auf die Rechtsgewährleistung berufen (BSK OR I, Honsell, 2011, Art. 192 N 5).

Übergabe des Kaufgegenstandes

Damit der Dritte den Kaufgegenstand entwehren kann, muss er sich im Herrschaftsbereich des Käufers befunden haben, was die Übergabe des Kaufgegenstands voraussetzt (Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Hrubesch-Millauer, 2012, Art. 192 N 4).

Entwehrung

Bei Entwehrung

Damit die Rechtsgewährleistung zur Anwendung kommen kann, muss der Dritte seine Rechte geltend gemacht haben und damit dem Käufer (teilweise) den Kaufgegenstand entzogen haben.

Vor Entwehrung

Solange der Dritte dieses Recht nicht geltend macht, kann der Käufer nur die gehörige Erfüllung im Sinne der Verschaffung von unbeschwertem Eigentum vom Verkäufer verlangen (Art. 184 Abs. 1 OR). Die Geltendmachung dieser Vertragsverletzung führt zu einer Schlecht- oder Nichterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR) und berechtigten den Käufer allenfalls vom Vertrag zurückzutreten (Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR).

Grundlagenirrtum

Das Nichtvorhandensein von stärkeren Rechten Dritten kann objektiv und subjektiv eine wesentliche Vertragsgrundlage darstellen, weshalb dem Käufer auch die Berufung auf den Grundlagenirrtum offensteht, falls die weiteren Voraussetzungen hierzu erfüllt sind (BGE 109 II 319 E. 2).

Beschränkung der Gewährleistung

Die Rechtsgewährleistung kann vertraglich beschränkt oder aufgehoben werden (Art. 192 Abs. 3 OR). Hat der Verkäufer das Recht des Dritten absichtlich verschwiegen (Art. 192 Abs. 3 OR) oder absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt (Art. 100 Abs. 1 OR), ist die Haftungsbeschränkung ungültig.

Verjährung

Normalfall

Für die Rechtsgewährleistung gilt die 10-jährige Verjährungsfrist (Art. 127 OR), welche mit der Entdeckung des Mangels beginnt (Art. 196a OR analog). Gemäss anderer Lehrmeinung ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschluss abzustellen (BSK OR I, Honsell, 2011, Art. 192 N 11). 

Kulturgüter

Bei Kulturgütern gilt eine relative Verjährungsfrist von einem Jahr ab Entdeckung des Mangels, sowie die absolute 30-jährige Frist nach Vertragsschluss (Art. 196a OR). 

Streitverkündung

Bei Streitverkündigung

Wird das bessere Recht des Dritten auf gerichtlichem Weg geltend gemacht, so hat der Käufer dem Verkäufer den Streit zu verkündigen (Art. 78 ZPO). Der Vorteil der Streitverkündigung liegt darin, dass ein allfällig ungünstiges Urteil auch den Verkäufer bindet (Art. 78 Abs. 1 ZPO). 

Ohne Streitverkündigung

Ist die Streitverkündung ohne Verschulden des Verkäufers unterblieben oder nicht rechtzeitig erfolgt, so wird der Verkäufer von der Verpflichtung zur Gewährleistung nur dann befreit, wenn er beweisen kann, dass bei rechtzeitig erfolgter Streitverkündung ein günstigeres Ergebnis des Prozesses zu erreichen gewesen wäre. (Art. 193 Abs. 2 OR)

Herausgabe ohne richterliche Entscheidung

Gutgläubige Anerkennung

Die Pflicht zur Gewährleistung besteht auch dann, wenn der Käufer, ohne es zur richterlichen Entscheidung kommen zu lassen, das Recht des Dritten in guten Treuen anerkannt oder sich einem Schiedsgericht unterworfen hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Käufer dies dem Verkäufer rechtzeitig angedroht und ihm die Führung des Prozesses erfolglos angeboten hatte (Art. 194 Abs. 1 OR).

Anerkennung aufgrund Verpflichtung

Der Anspruch auf Rechtsgewährleistung besteht auch dann, wenn der Käufer beweist, dass er zur Herausgabe der Sache verpflichtet war. (Art. 194 Abs. 2 OR

Bei vollständiger Entwehrung

Bei einer vollständigen Entwehrung wird der Kaufvertrag ex tunc als aufgehoben betrachtet. Diese Aufhebung hat zur Folge, dass dem Käufer gewisse Forderungsrechte (Art. 195 OR)zustehen:

  • Rückerstattung des bezahlten Preises zuzüglich Zinsen (Art. 73 OR) und abzüglich einem (hypothetischen) Nutzungsentgelt;
  • Verwendungsersatz unter Anrechnung des Verwendungsersatzes durch berechtigten Dritten (Art. 939 f. ZGB);
  • Kostenersatz für den Eviktionsprozess, die durch die Geltendmachung des Dritten entstanden sind, ausser diese Kosten hätten durch die Streitverkündung vermieden werden können. Die Kostentragung für den nachfolgenden Gewährleistungsprozess bestimmt sich nach dem Prozessrecht (BGE 79 II 376 E. 5);
  • Schadenersatz aus Kausalhaftung für den unmittelbaren Schaden;
  • Schadenersatz aus Verschuldenshaftung mit Verschuldensvermutung für den mittelbaren Schaden (bspw. Gewinn, BGE 79 II 376 E. 3), sofern der Verkäufer nicht beweisen kann, dass ihn keine Schuld trifft.

Bei teilweiser Entwehrung

Grundsatz

Bei einer teilweisen Entwehrung kann der Käufer nicht die Aufhebung des Vertrages, sondern nur Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die Entwehrung verursacht wird (Art. 196 Abs. 1 OR).

Ausnahme

Hätte der Käufer den Vertrag im reduzierten Umfang jedoch nicht geschlossen, wenn er von der Entwehrung gewusst hätte, so kann er ausnahmsweise auch die Aufhebung des Vertrages verlangen (Art. 196 Abs. 2 OR). Bei der Aufhebung des Vertrags muss er den Kaufgegenstand, soweit er nicht entwehrt worden ist, nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen, dem Verkäufer zurückgeben (Art. 196 Abs. 3 OR). 

Sachgewährleistung

Die Sachgewährleistung regelt den Fall, wenn ein Kaufgegenstand einen körperlichen Fehler (bspw. defektes Gerät) oder rechtlichen Fehler hat (bspw. entspricht nicht den Normen) oder nicht über die vereinbarten Eigenschaften verfügt. Die Rechtsgewährleistung kommt hingegen zur Anwendung, wenn subjektive, absolute oder realobligatorische Rechte hat, die denjenigen des Käufers vorgehen. Die Sachgewährleistung regelt damit einen anderen Fall.

Nicht- oder Schlechterfüllung

Die Ansprüche aus Nicht- oder Schlechterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR) stehen in alternativer Konkurrenz (BGE 110 II 239 E. 1d) zu den Ansprüchen aus der Rechtsgewährleistung (Art. 192 ff. OR). Basierend auf dem Bereicherungsverbot geht bei Erfüllung einer der beiden Ansprüche der andere Anspruch unter.

Irrtum und Täuschung

Die Ansprüche aus Irrtum und Täuschung stehen in alternativer Konkurrenz zu den Ansprüchen aus der Rechtsgewährleistung (Art. 192 ff. OR).

Pascal kauft von Hubert ein Bild, welches Hubert vor zwei Jahren von Andreas geklaut hatte. Pascal wusste nichts von diesem Diebstahl, weshalb er den Kaufvertrag gutgläubig abgeschlossen hatte. Als Andreas herausfindet, dass nun Pascal im Besitz dieses Bildes ist, verlangt er von ihm das gestohlene Bild wieder heraus (sog. Eviktion). Wäre ihm das Bild jedoch abhanden gekommen, so könnte er es nicht mehr herausverlangen. Da Pascal das Bild an Andreas zurückgeben musste, hat er weder den Kaufpreis zurück, noch das Bild. Den Kaufpreis sowie die Kosten aus der Eviktion mit Andreas kann Pascal aufgrund der Rechtsgewährleistung von Hubert zurückverlangen. 

Der Käufer hat Anspruch auf die Rechtsgewährleistung, wenn der Rechtsmangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses bestand, der Käufer keine Kenntnis von der Gefahr der Entwehrung hatte, der Kaufgegenstand bereits übergeben wurde, der Kaufgegenstand entwehrt wurde, die Haftung nicht vertraglich beschränkt wurde und die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Hat der Dritte die besseren Rechte geltend gemacht und ist der Kaufgegenstand somit (teilweise) entwehrt, kann der Käufer vom Verkäufer u.a. die Rückerstattung des bezahlten Preises zuzüglich Zinsen und abzüglich einem (hypothetischen) Nutzungsentgelt verlangen.

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