Junge Forscherin

Kreative Menschen schaffen in ihrem Arbeitsalltag stetig kleinere und grössere Verbesserungen. Solche Arbeitnehmererfindungen stehen je nach Konstellation dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer zu, wobei letzterer unter Umständen einen Entschädigungsanspruch hat. Es wird zwischen Diensterfindungen, Gelegenheitserfindungen und freien Erfindungen unterschieden.

Der grösste Teil der Erfindungen, für die Schutzrechte – meist Patentrechte – erteilt werden, stammt in der Schweiz von Arbeitnehmern (Rehbinder, in: Institut für gewerblichen Rechtsschutz in Zürich, Kernprobleme des Patentrechts, Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen eines eidgenössischen Patentgesetzes, 1988, S. 71). Deutschland, welches in einer ähnlichen Lage ist, hat daher ein eigenes Spezialgesetz eingeführt, welches nur die Arbeitnehmererfindungen behandelt (Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, ArbnErfG). In der Schweiz hingegen stützt sich die ganze Thematik lediglich auf einen einzigen Artikel im Obligationenrecht (Art. 332 OR), sofern nicht arbeitsvertraglich davon abgewichen wird.

Erfindung

Für den Begriff der Erfindung ist auf den Wortlaut im Obligationenrecht abzustellen und nicht das Pendant im Patentrecht (Art. 1 PatG) heranzuziehen. In der Folge muss eine Erfindung nicht zwingenderweise schutzfähig sein (Calame, in: von Büren/David, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Band IV, 2006, S. 194). Für Arbeitnehmererfindungen, die allenfalls (auch) markenrechtlich oder urheberrechtlich geschützt sind, kennt das Obligationenrecht keine besonderen Regelungen.

Eine Erfindung muss eine technische Regel sein, die durch einen Fachmann verwendbar ist. Weiter muss sie sich vom unternehmensinternen Stand der Technik unterscheiden und dem Arbeitgeber einen ähnlichen Wettbewerbsvorteil gewähren, wie dies eine patentfähige Erfindung tun würde (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Zürich 2012, Art. 332 N 5).

Design

Nicht nur Erfindungen, sondern auch Designs gelten als Arbeitnehmererfindungen (Art. 332 Abs. 1 OR). Ein Design ist die Gestaltung von Produkten oder von Teilen davon, die beispielsweise durch die Anordnung von Linien, Flächen oder Farben charakterisiert sind (Art. 1 Abs. 1 DesG). 

Arten

Die originäre Zuweisung und eine allfällige Pflicht zur Entschädigung des Arbeitnehmers ist auf die dogmatische Diskrepanz zwischen dem Erfinderprinzip (auch Schöpferprinzip genannt) und der derivativen Zuweisung an den Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsverhältnisses zurückzuführen. Es wird daher zwischen drei Arten von Arbeitnehmererfindungen unterschieden:

Die Zuweisung einer Arbeitnehmererfindung zu eine der drei Arten hat deshalb direkte Konsequenzen auf den Erwerb der Vermögensrechte durch den Arbeitgeber und einen allfälligen Entschädigungsanspruch für den Arbeitnehmer.

Voraussetzungen

Definition

Als Diensterfindungen gelten Erfindungen des Arbeitnehmers, die er

  • bei Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit und
  • in Erfüllung einer vertraglichen Pflichten macht, oder
  • an deren Hervorbringung er mitwirkt (Art. 332 Abs. 1 OR).

Ausübung der dienstlichen Tätigkeit

Als Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit gilt eine Arbeitnehmererfindung, wenn sie eine sachliche Verbindung zum Arbeitsverhältnis hat. Dies bedeutet, dass ihre Grundlage im Tätigkeitsgebiet des Arbeitnehmers liegt (BGE 72 II 270, E. 4).

In Erfüllung der vertraglichen Pflichten

Welche Erfindungstätigkeiten als in Erfüllung der vertraglichen Pflichten gelten, ist abhängig von vertraglichen Abreden und den tatsächlichen Umständen (BGE 100 IV 167). Selbst stillschweigende Abreden können genügen. Dazu zählen beispielsweise der Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers, dessen überdurchschnittlich hoher Lohn (oftmals ein Indiz) und Ausbildung, die zur Verfügung gestellten Mittel sowie der Geschäftszweck des Arbeitgebers. Es reicht aus, dass vom Arbeitnehmer erwartet werden kann, dass auf ein erfinderisches Ergebnis hinarbeitet (BGE 72 II 270, E. 4). 

Zeithorizont

Bei der Diensterfindung muss die Erfindung zwingend während der Dauer des Arbeitsverhältnisses beendet worden sein.

Eigentum

Diese Arbeitnehmererfindungen gehören nach Schweizer Recht unabhängig von ihrer Schutzfähigkeit dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber erwirbt die vermögenswerten Rechte somit originär (Art. 332 Abs. 1 OR).

Entschädigung

Es besteht kein Anspruch auf finanzielle Entschädigung durch den Arbeitgeber. Dies wird dadurch begründet, dass die Arbeitserfindung in Erfüllung der vertraglichen Pflichten erfolgte und somit zur Vertragserfüllung zählt, bei der der Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko trägt und den Arbeitnehmer im Übrigen entlöhnt (BGE 80 IV 22).

Voraussetzungen

Definition

Gelegenheitserfindungen sind Erfindungen, die der Arbeitnehmer in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit macht, dies jedoch ausserhalb seiner vertraglichen Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Letztere Voraussetzung ist somit das Unterscheidungskriterium zur Diensterfindung.

Ausübung der dienstlichen Tätigkeit

Als Ausübung der dienstlichen Tätigkeit gilt eine Arbeitnehmererfindung, wenn sie eine sachliche Verbindung zum Arbeitsverhältnis hat. Dies bedeutet, dass ihre Grundlage im Tätigkeitsgebiet des Arbeitnehmers liegt (BGE 72 II 270, E. 4).

Eigentum

Ohne Vereinbarung

Ohne schriftliche Vereinbarung entstehen die vermögenswerten Rechte an einer Gelegenheitserfindung originär beim Erfinder, das heisst beim Arbeitnehmer (Art. 332 Abs. 2 OR).

Mit Vereinbarung

Durch schriftliche Abrede kann sich der Arbeitgeber den derivativen Erwerb von Gelegenheitserfindungen ausbedingen, sofern er für diese eine angemessen Entschädigung bezahlt (Art. 332 Abs. 2 OR). In diesem Fall muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber schriftlich über eine allfällige Gelegenheitserfindung informieren. Der Arbeitgeber hat daraufhin sechs Monaten Zeit, um dem Arbeitnehmer ebenfalls schriftlich mitzuteilen, ob er die Gelegenheitserfindung erwerben will oder ob er sie dem Arbeitnehmer freigibt.

Entschädigung

Im Falle eines Erwerbs durch den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Zur Bestimmung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände zu berücksichtigen, wie beispielsweise:

  • der wirtschaftliche Wert der Arbeitnehmererfindung,
  • die Mitwirkung des Arbeitgebers,
  • die Inanspruchnahme von betrieblichen Hilfspersonen und Betriebseinrichtungen, sowie
  • die Aufwendungen des Arbeitnehmers und
  • seine Stellung im Betrieb (Art. 332 Abs. 4 OR).

Voraussetzungen

Kriterium

Die so genannten freien Erfindungen müssen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses entstanden sein, da sie sonst gar keine Arbeitnehmererfindung wäre (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Zürich 2012, Art. 332 N 18).

Negative Kriterien

Die freie Erfindung wird dementsprechend nicht bei Ausübung der dienstlichen Tätigkeit gemacht und somit auch nicht bei Erfüllung der vertraglichen Pflichten. Die Erfindung hat somit keinen sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Arbeitstätigkeit.

Eigentum

Das Eigentum entsteht originär beim Erfinder, das heisst beim Arbeitnehmer. In der Schweiz ist unklar, ob der Arbeitnehmer eine Andienungspflicht hat, die sich aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ableitet (Art. 321a Abs. 1 OR), oder ob er solche Erfindungen vollkommen frei verwerten darf. Deutschland sieht im Zusammenhang mit freien Erfindungen eine Andienungspflicht vor, falls der Erfinder sie während der Dauer des Arbeitsverhältnisses anderweitig verwerten will.

Entschädigung

Bietet der Arbeitnehmer die freie Erfindung dem Arbeitgeber an, so muss dies wie bei der Gelegenheitserfindung zu angemessenen Bedingungen erfolgen (Art. 332 Abs. 4 OR). Als angemessene Bedingungen gelten Marktbedingungen, da der Arbeitgeber keine Vorzugsstellung geniesst.

Herr Meier ist Mechaniker und muss im Betrieb Maschinen reparieren. Während der Arbeitszeit kommt Herrn Meier eine zündende Idee, wie diese Maschinen zu verbessern wären, so dass keine derartigen Reparaturen mehr anfallen werden. Es handelt sich hierbei um eine Gelegenheitserfindung, da die Erfindung in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit entstand, jedoch nicht in Erfüllung der vertraglichen Pflichten, da Herr Meier nicht dazu zuständig ist, Maschinen zu verbessern. Herr Meier hat im Falle einer Andienung einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Wäre Herr Meier hingegen Ingenieur, so könnte unter Umständen eine Diensterfindung vorliegen, da eine solche Erfindung von ihm aufgrund seiner beruflichen Stellung hätte erwartet werden können und er auch dementsprechend einen höheren Lohn hat.

Kreative Menschen schaffen in ihrem Arbeitsalltag stetig kleinere und grössere Verbesserungen. Diese Arbeitnehmererfindungen stehen je nach Konstellation dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer zu, wobei Letzterer unter Umständen ein Entschädigungsanspruch hat. Es wird zwischen Diensterfindungen, Gelegenheitserfindungen und freien Erfindungen unterschieden.

Gefällt Ihnen dieser Artikel?

- Keine Legal-News mehr verpassen

- Nützliche Alltags-Tipps rund ums Recht

- Hintergründe für Private, Unternehmen und Juristen

lexwiki.ch und unsere Autoren können keine Garantie für die Richtigkeit und Vollständigkeit der auf unseren Seiten angezeigten Informationen übernehmen. Die Artikel stellen die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung geltende Rechtslage dar. Leider können wir nicht garantieren, dass jeder Artikel aktuell ist. Die Artikel auf unserer Plattform ersetzen keine Beratung durch einen Rechtsanwalt. lexwiki.ch bietet einen ersten Überblick für Personen mit einer juristischen Frage und dient als Informationsplattform für den an Rechtsfragen interessierten Mitbürger. Um bei juristischen Fragen die richtigen Schlüsse ziehen zu können, ist neben umfangreichem Knowhow im entsprechenden juristischen Bereich die Kenntnis des konkreten Sachverhaltes unabdingbar. Wir möchten Sie daher bitten, basierend auf den auf unserer Plattform zur Verfügung gestellten Inhalten keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und möglichst frühzeitig professionelle Rechtsberatung beizuziehen. Das spart i.d.R. Kosten und verhindert, dass irreversibler Schaden angerichtet wird.

Die Plattform lexwiki.ch bietet insbesondere in der Form von News-Artikeln Autoren die Möglichkeit, ihre Meinungen und Analysen zu spezifischen Fällen und Themen zu veröffentlichen. Die Plattform lexwiki.ch ist unabhängig und ist keinem politischen Spektrum zuzuordnen. Die hier vertretenen und als solche gekennzeichneten Meinungen von Autoren sind ausschliesslich als eben solche zu verstehen. Wir bieten falls gewünscht gerne Hand zu Gegendarstellungen. Bitte kontaktieren Sie uns über die auf allen Seiten zur Verfügung stehende Kommentarfunktion. Die Kommentare werden nicht direkt veröffentlicht.

[wdfb_like_button]

Unsere Autoren

Anwaltskanzlei Steiger Legal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.