Die Statuten als Gesellschaftsverfassung

Die Statuten (Gesellschaftsvertrag) schaffen individuell für eine ganz bestimmte Aktiengesellschaft eine objektive Ordnung. Der Gesellschaftsvertrag wirkt jedoch auch auf die Ausgestaltung, die Organisation der Gesellschaft und strukturiert die rechtlichen Beziehungen während der Existenz der Gesellschaft zwischen den Gesellschaftern.  

Die Funktion der Statuten besteht in der Regelung der Organisation von Aktiengesellschaften, wobei sich die Rechtsnatur dahingehend ändert, dass nach der Gründung ein Mehrheitsbeschluss die Einstimmigkeit bei der Gründung ersetzt. Der Inhalt von Statuten besteht aus absolut notwendigem Inhalt, bedingt notwendigem Inhalt und fakultativem Inhalt. Den Aktionären steht es frei, die Statuten nachträglich anzupassen

Grundvoraussetzung für die Entstehung einer jeden Gesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag (sog. Entstehungsfunktion). In diesem einigen sich die Gesellschafter, einen bestimmten Zweck mit gemeinsamen Kräften und Mitteln zu verfolgen. Der Gesellschaftsvertrag wirkt jedoch auch auf die Ausgestaltung, die Organisation der Gesellschaft und strukturiert die rechtlichen Beziehungen während der Existenz der Gesellschaft zwischen den Gesellschaftern. Der Gesellschaftsvertrag ist damit das Grundgesetz, die „Verfassung“ der Gesellschaft (sog. Organisationsfunktion).

Grundsatz

Da der Aktiengesellschaft (AG) als juristische Person Rechtspersönlichkeit zukommt, sie also in eigenem Namen Geschäfte tätigen kann und unabhängig vom Ausscheiden einzelner Aktionäre weiter besteht, ist die Regelung der Organisation von grosser Bedeutung. Deswegen verlangt das Gesetz deren schriftliche Fixierung in Statuten.

Individualität

Wie das Gesetz generell für sämtliche Aktiengesellschaften schaffen die Statuten individuell für eine ganz bestimmte Aktiengesellschaft eine objektive Ordnung. Im Rahmen des gesetzlichen Freiraums kann durch massgeschneiderte Ausgestaltung der Statuten den konkreten Bedürfnissen der jeweiligen AG Rechnung getragen werden.

Gründungsstatuten

Die ersten Statuten, die sog. Gründungsstatuten, beruhen auf dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gründern. Alle Gründer müssen den Gründungsstatuten zustimmen (Art. 629 Abs. 1 OR). Somit kann man bei den Gründungsstatuten noch von einem Vertrag sprechen.

Nach Gründung

In der Folge verlieren sie aber diesen vertraglichen Charakter, da sie grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss abgeändert werden können (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR; Art. 703 f. OR). In diesem Sinne lösen sich die Statuten vom ursprünglichen Willen der Gründer und werden zu einer autonomen Satzung, dem Grundgesetz bzw. der „Verfassung“ der AG.

Absolut notwendiger Inhalt

Gewisse Fragen müssen zwingend in den Statuten geregelt sein. Dies sind (Art. 626 OR):

  1. Firma (Art. 944 ff. OR) und Sitz (Art. 117 Abs. 1 HregV);
  2. Zweck der AG (Art. 118 Abs. 1 HregV);
  3. Höhe des Aktienkapitals (Art. 621 OR) und Betrag der darauf geleisteten Einlagen (Art. 632 OR);
  4. Anzahl, Nennwert (Art. 622 Abs. 4 OR und Art. 692 f. OR) und Art der Aktien (Art. 622 Abs. 1 OR);
  5. Einberufung der Generalversammlung (Art. 700 OR) und Stimmrecht der Aktionäre (Art. 692 ff. OR);
  6. Organe für die Verwaltung (VR; (Art. 707 Abs. 1 OR, Art. 709 Abs. 1 OR, Art. 710 Abs. 1 OR, Art. 712 Abs. 2 OR, Art. 713 Abs. 1 OR) und für die Revision (Art. 730 Abs. 2 OR und Art. 730a Abs. 1 OR);
  7. Form der von der AG ausgehenden Bekanntmachungen (Art. 696 Abs. 2 OR und Art. 931 Abs. 2 OR).

Bedingt notwendiger Inhalt

Im Rahmen des bedingt notwendigen Statuteninhalts (Art. 627 f. OR) können es die Gründer bzw. die Aktionäre bei der gesetzlichen Ordnung belassen. Wollen sie davon abweichen, können sie dies nur durch statutarische Bestimmung tun. Dies betrifft insbesondere:

  1. Änderung der Statuten, soweit sie von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen;
  2. Ausrichtung von Tantiemen (Art. 677 OR);
  3. Zusicherung von Bauzinsen (Art. 676 OR);
  4. Begrenzung der Dauer der AG (Art. 736 Ziff. 1 OR);
  5. Konventionalstrafen bei nicht rechtzeitiger Leistung der Einlage;
  6. genehmigte (Art. 651 ff. OR) und die bedingte Kapitalerhöhung (Art. 653 ff. OR);
  7. Zulassung der Umwandlung von Namenaktien in Inhaberaktien und umgekehrt (Art. 622 Abs. 3 OR);
  8. Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien (sog. „Vinkulierung“; Art. 685a ff. OR);
  9. Vorrechte einzelner Kategorien von Aktien (Art. 654 OR und Art. 656 OR), Partizipationsscheine (Art. 656a ff. OR), Genussscheine (Art. 657 OR) und Gewährung besonderer Vorteile (Art. 628 Abs. 3 OR);
  10. Beschränkung des Stimmrechts (Art. 692 f. OR) und des Rechts der Aktionäre, sich vertreten zu lassen (Art. 689 Abs. 2 OR);
  11. im Gesetz nicht vorgesehene Fälle, in denen die Generalversammlung nur mit qualifizierter Mehrheit Beschluss fassen kann (Art. 704 OR);
  12. Ermächtigung zur Übertragung der Geschäftsführung auf einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates oder Dritte (Art. 716b OR);
  13. Organisation und die Aufgaben der Revisionsstelle, sofern dabei über die gesetzlichen Vorschriften hinausgegangen wird (Art. 731a OR);
  14. Möglichkeit, in bestimmter Form ausgegebene Aktien in eine andere Form umzuwandeln, sowie eine Verteilung der dabei entstehenden Kosten, soweit sie von der Regelung des Bucheffektengesetzes abweicht (Art. 7 BEG);
  15. Sacheinlagen (Art. 628 Abs. 1 OR);
  16. Sachübernahmen (Art. 628 Abs. 2 OR).

Fakultativer Inhalt

Ein Grossteil der in der Praxis anzutreffenden Statutenbestimmungen ist fakultativer Natur. Dabei handelt es sich vor allem um Wiederholungen gesetzlicher Bestimmungen oder um Bestimmungen, die auch ausserhalb der Statuten aufgestellt werden könnten. Sie werden bloss der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit halber aufgeführt, da insbesondere für Nichtjuristen ein Blick ein die Statuten einfacher ist als ein Blick ins Gesetz.

Zuständigkeit

Haben sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geändert, kann sich eine Änderung der Statuten aufdrängen. Die Festsetzung und Änderung der Statuten ist grundsätzlich eine unübertragbare Befugnis der Generalversammlung (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR). Nur ausnahmsweise können die Statuten durch einen Verwaltungsrats-Beschluss geändert werden (vgl. insb. Art. 651a OR, Art. 652g OR, Art. 653g OR und Art. 653i OR). Diese Kompetenz des Verwaltungsrats ist aber primär vollziehender Natur im Rahmen von Kapitalerhöhungen, die durch die Generalversammlung beschlossen worden sind.

Quorum

Nach der Gründung können die Statuten grundsätzlich nur noch durch Mehrheitsbeschluss geändert werden. Dazu genügt grundsätzlich das absolute Mehr der vertretenen Aktienstimmen (Art. 703 OR), sofern nicht statutarisch oder gesetzlich ein höheres Quorum festgelegt ist (Art. 704 OR).

Formelle Anforderungen

Einerseits muss der Beschluss zur Statutenänderung ordnungsgemäss zustande gekommen sein. Andernfalls ist er anfechtbar oder nichtig (Art. 706 OR und Art. 706b OR). Ausserdem muss der Beschluss von einem Notar beurkundet werden, was die Anwesenheit des Notars an der Generalversammlung bedingt. Schliesslich muss der Beschluss ins Handelsregister eingetragen werden (Art. 647 OR).

Die Statuten schaffen individuell für eine ganz bestimmte Aktiengesellschaft eine objektive Ordnung. Die Festsetzung und Änderung der Statuten ist grundsätzlich eine unübertragbare Befugnis der Generalversammlung. Dazu genügt grundsätzlich das absolute Mehr der vertretenen Aktienstimmen (Art. 703 OR), sofern nicht statutarisch oder gesetzlich ein höheres Quorum festgelegt ist (Art. 704 OR).

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Unser Autor

Rechtsanwälte & Notare Waldmann Petitpierre

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