Gemeinsam stark

Mirko Martinello ist ein Aktionär bei einer grossen Aktiengesellschaft. Er hat die Aktien allerdings erst kürzlich erworben und weiss noch nicht, was es mit der Generalversammlung genau auf sich hat. Er möchte sich gerne detailliert darüber informieren, welche Rechte und Pflichten er als Aktionär in einer GV hat und wie deren allgemeiner Ablauf aussieht.

Der Generalversammlung kommen verschiedene Befugnisse zu, weshalb es sich zu wissen lohnt, auf welche Arten sich eine solche einberufen lässt. Bestimmungen zu Einberufung der GV, zu Traktanden und Anträgen, sowie zur Aktionärsvertretung sind gesetzlich geregelt. Ebenso gibt es konkrete Regeln über die Abhaltung der GV selber, wie beispielsweise zur Leitung, zur Protokollführung, zum Auskunftsrecht der Aktionäre, sowie zu Abstimmungen und Wahlen. Nach einer durchgeführten GV besteht allenfalls die Möglichkeit zur Klage auf Anfechtung bzw. Nichtigkeit.

Die Generalversammlung der Aktionäre ist das oberste Organ einer Aktiengesellschaft.  Es existieren verschiedene gesetzliche und statutarische Bestimmungen über die Durchführung der Generalversammlung und der damit verbundenen Aktionärsrechten und -pflichten.

Unübertragbare Befugnisse

Die Generalversammlung hat folgende unübertragbare Befugnisse:

  • Die Festsetzung und die Änderung der Statuten;
  • die Wahl der Mitglieder von Verwaltungsrat und Revisionsstelle;
  • die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
  • die Genehmigung der Jahresrechnung und die Beschlussfassung über Verwendung des Bilanzgewinnes (speziell die Festsetzung der Dividende und der Tantieme);
  • die Entlastung der Verwaltungsratsmitglieder. (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1-5 OR)

Weitere Befugnisse

Der Generalversammlung kommt ausserdem die Befugnis zur Beschlussfassung über Gegenstände zu, welche der Generalversammlung durch Statuten oder Gesetz vorbehalten sind. (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 6 OR)

Ordentliche Generalversammlung

Bei der ordentlichen Generalversammlung handelt es sich um die gesetzlich vorgeschriebene Aktionärsversammlung. Sie ist innert 6 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres einzuberufen. (Art. 699 Abs. 2 OR)

Ausserordentliche Generalversammlung

Die ausserordentliche Generalversammlung kommt nur bei Bedarf zum Zuge, d.h. entweder auf Veranlassung des Verwaltungsrates bei Vorliegen eines Kapitalverlusts (Art. 725 Abs. 1 OR), oder auf Verlangen der Aktionäre, welche mindestens 10 Prozent des gesamten Aktienkapitals vertreten. (Art. 699 Abs. 3 OR)

Auch die Revisionsstelle kann eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen, wenn der Verwaltungsrat bei einer Überschuldung untätig bleibt. Ebenso kann in einer Generalversammlung selber eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen werden.

Universalversammlung

Bei der Universalversammlung handelt es sich um eine Versammlung, bei der alle Aktionäre anwesend oder vertreten sind. Diese Merkmale sind zugleich die Voraussetzungen für eine Universalversammlung, weshalb die Anwesenheit aller Aktionäre oder deren Vertretung sowie deren Präsenz während der gesamten Dauer der Versammlung vonnöten sind. Wenn ein Teilnehmer die Versammlung vorzeitig verlässt, so ist die Universalversammlung sofort beendet.

Wenn kein Einspruch erhoben wird, so können die Eigentümer oder Vertreter aller Aktien eine Universalversammlung einberufen, ohne sich an die normalerweise gültigen Formvorschriften zu halten. (Art. 701 Abs. 1 OR)

In der Universalversammlung kann über jeglichen Gegenstand, welcher in den Geschäftsbereich der Generalversammlung fällt, gültig verhandelt werden. (Art. 701 Abs. 2 OR)

Berechtigte Personen

In der Regel wird die Generalversammlung durch den Verwaltungsrat und wenn nötig durch die Revisionsstelle einberufen. Aber auch Liquidatoren und Vertretern der Anleihensgläubiger kommt das Einberufungsrecht zu. (Art. 699 Abs. 1 OR)

Auch einer oder mehrere Aktionäre, welche zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, können die Einberufung einer Generalversammlung verlangen. (Art. 699 Abs. 3 OR)

Frist

Die ordentliche Generalversammlung wird alljährlich, innerhalb sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres, abgehalten. Ausserordentliche Generalversammlungen können je nach Bedürfnis einberufen werden. (Art. 699 Abs. 2 OR)

Form

Spätestens 20 Tage vor dem Versammlungstag muss die Generalversammlung in der von den Statuten vorgeschriebenen Form einberufen werden. (Art. 700 Abs. 1 OR)

Anträge und Verhandlungsgegenstände

Ein Traktandum ist der Gegenstand der Verhandlung in einer Generalversammlung. Diese Verhandlungsgegenstände sind bei Einberufung zusammen mit dem Antrag zur Durchführung einer Generalversammlung bekanntzugeben. (Art. 700 Abs. 2 OR)

Auch die Anträge des Verwaltungsrates und der Aktionäre, welche die Durchführung der Generalversammlung verlangt haben, sind in der Einberufung bekanntzugeben. (Art. 700 Abs. 2 OR)

Vorgängige Ankündigung erforderlich

Über Anträge zu Traktanden, welche nicht gehörig angekündigt wurden, kann kein Beschluss gefasst werden. Ausnahmen sind Anträge zur Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung, auf Durchführung einer Sonderprüfung und auf Wahl einer Revisionsstelle. (Art. 700 Abs. 3 OR)

Keine Ankündigung erforderlich

Wenn Anträge innerhalb des Rahmens der Verhandlungsgegenstände gestellt werden, bedarf es keiner vorgängigen Ankündigung. (Art. 700 Abs. 4 OR)

Allgemein

Wenn ein Aktionär selber nicht an der Generalversammlung teilnehmen kann, so ist er berechtigt, sich vertreten zu lassen. Es gibt die individuelle und die institutionelle Stimmrechtsvertretung.

Individuelle Stimmrechtsvertretung

Bei der individuellen Stimmrechtsvertretung unterscheidet man zwischen gesetzlichem und vertraglichem Vertreter. Wer einen Aktionär vertritt, muss dessen Weisungen befolgen. (Art. 689b Abs. 1 OR)

Gesetzlicher Vertreter

Gesetzliche Vertreter eines Aktionärs können sein:

  • Die Inhaber der elterlichen Gewalt, ein Vormund oder ein Beistand bei natürlichen Personen, oder
  • ein Organvertreter, wenn es sich um eine juristische Person als Aktionär (Art. 689c OR).

Vertraglicher Vertreter

Es kann aber auch ein Vertreter per Vertrag bestimmt werden. Dies ist eine Person, welche mit einer Vollmacht des Aktionärs ausgestattet wurde.

Institutionelle Stimmrechtsvertretung

Bei der institutionellen Stimmrechtsvertretung unterscheidet man zwischen unabhängigen Stimmrechtsvertretern und Depotvertretern.

Unabhängiger Stimmrechtsvertreter

Bei unabhängigen Stimmrechtsvertretern handelt es sich um unabhängige Personen, welche von Aktionären mit Vertretung betreut werden können, wenn und soweit es in den Statuten der Aktiengesellschaft vorgesehen ist. Die Aktiengesellschaft muss also einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter berufen haben.

Der unabhängige Stimmrechtsvertreter muss – wie der Name bereits sagt – unabhängig sein.

  • es gelten analog die Regeln der Revisionsstelle analog Art. 728 OR);
  • der Vertreter darf kein Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft sein;
  • er darf nicht in den Diensten des Haupt- bzw. Mehrheitsaktionärs stehen;
  • er darf keine Mandate für die Aktiengesellschaft haben; 
  • er darf keine besonderen Vorteile von der Aktiengesellschaft annehmen.

Er darf sein Stimmrecht nur durch JA, NEIN und ENTHALTUNG wahrnehmen.

Der unabhängige Stimmrechtsvertreter hat ausserdem keine Pflicht zur Einholung von Instruktionen. Die Aktiengesellschaft muss den Aktionären Formulare zustellen, welche Weisungserteilungen an die Vertreter ermöglichen. Wenn er keine Weisungen erhalten hat, so muss er nach den Anträgen des Verwaltungsrates stimmen.

Zwischen dem Aktionär und dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter, sowie auch der AG und dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter besteht ein Auftragsverhältnis, wobei die Kosten für das Mandat die AG übernehmen muss.

Depotvertreter

Bei Depotvertretern handelt es sich um Institute und gewerbsmässige Vermögensverwalter, welche dem Bankengesetz unterstellt sind und die die Aktien des Vertretenen in ihrem Depot haben. Sie vertreten den Aktionär in der Generalversammlung. (Art. 689d Abs. 3 OR)

Ein Depotvertreter hat, im Gegensatz zum unabhängigen Stimmrechtsvertreter, die Pflicht zur Einholung von Weisungen (Art. 689d Abs. 1 OR). Er muss ausserdem weisungsgemäss abstimmen. Wenn er keine Weisung erhalten hat, so muss er nach seinen allgemeinen Weisungen stimmen, und wenn es keine solchen gibt, nach den Anträgen des Verwaltungsrates (Art. 689d Abs. 2 OR). Der Depotvertreter kann also nicht seiner eigenen Meinung folgend abstimmen.

Die Leitung der Generalversammlung übernimmt der Verwaltungsratspräsident. Er eröffnet die Generalversammlung.

Des Weiteren kommen ihm folgende Aufgaben zu:

  • er kann Aktionären das Wort erteilen oder auch entziehen, muss aber alle Aktionäre gleichbehandeln;
  • er ist ausserdem dazu berechtigt, eine Redezeitbeschränkung einzuführen;
  • er kündigt die Diskussionsphase an und bestimmt über deren Dauer;
  • er muss dafür sorgen, dass die Stimmabgabe bei Abstimmungen oder Wahlen korrekt erfasst wird;
  • er beendet die Generalversammlung. 

Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Führung des Protokolls während einer Generalversammlung. Das Protokoll muss folgende Punkte festhalten:

  • Die Anzahl, die Art, den Nennwert und die Kategorie der Aktien, welche durch die Aktionäre, die Organe, die unabhängigen Stimmrechtsvertreter und die Depotvertreter vertreten werden;
  • alle Beschlüsse und Wahlergebnisse;
  • die Auskunftsbegehren und die Antworten darauf;
  • die durch Aktionäre zu Protokoll gegebenen Erklärungen. (Art. 702 Abs. 2 OR)

Jeder Aktionär ist berechtigt, vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft sowie von der Revisionsstelle über die Durchführung und dem Ergebnis der Prüfung zu verlangen. Diese Auskunft ist jedoch nur dann zu erteilen, wenn sie für die Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich ist. Eine Verweigerung ist daher zulässig, wenn es Geschäftsgeheimnisse oder andere schutzwürdige Interessen der Gesellschaft betrift (Art. 697 OR). Dies ist damit zu begründen, dass den Aktionär keine Treuepflicht trifft und er daher diese Informationen zum Nachteil der Gesellschaft verwenden könnte.

Generell

Die Generalversammlung fasst Beschlüsse mit der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktien-Stimmen – es sei denn, das Gesetz oder die Statuten sehen etwas anderes vor (Art. 703 OR). Die Beschlüsse lassen sich unterscheiden in Sachgeschäfte und Personalentscheide auf Organstufe.

Sachgeschäfte

In der Generalversammlung können die Aktionäre Abstimmungen zu bestimmten Sachgeschäften durchführen.

Personalentscheide auf Organstufe

Auch haben die Aktionäre die Möglichkeit, das Personal des Vorstandes zu wählen. Es handelt sich hierbei um Personalentscheide auf Organstufe.

Die Décharge

Eine Décharge wird durch einen Entlastungsbeschluss der Generalversammlung an mit der Geschäftsführung betraute Personen erteilt. Wird einer solchen Décharge zugestimmt, so verzichtet die Aktiengesellschaft auf Schadenersatzansprüche gegen die verantwortliche Person. Handelt es sich bei letzterer um einen Aktionär, so kann dieser beim Entlastungsbeschluss keine Stimme abgeben. (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR)

Anfechtung von Beschlüssen

Der Verwaltungsrat und die Aktionäre können Beschlüsse, welche in der Generalversammlung getroffen wurden, mit einer Klage gegen die Aktiengesellschaft anfechten. (Art. 706 Abs. 1 OR)

Besonders folgende Beschlüsse sind anfechtbar:

  • Beschlüsse, welche in Gesetz oder den Statuten festgelegte Rechte der Aktionäre aufheben oder einschränken;
  • Beschlüsse, welche Aktionärsrechte in unsachlicher Weise aufheben oder einschränken;
  • Beschlüsse, die eine Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken, welche nicht durch den Gesellschaftszweck gerechtfertigt ist;
  • Beschlüsse, welche die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft aufheben, ohne dass sämtliche Aktionäre dem zugestimmt haben. (Art. 706 Abs. 2 OR)

Wenn durch ein Urteil ein Beschluss der Generalversammlung aufgehoben wird, so wirkt dies für und gegen alle Aktionäre. (Art. 706 Abs. 3 OR)

Nichtigkeit von Beschlüssen

Insbesondere folgende Beschlüsse der Generalversammlung sind nichtig:

  • Beschlüsse, welche das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung, das Mindeststimmrecht, Klagerechte oder andere gesetzlich vorgeschriebene Rechte des Aktionärs aufheben oder einschränken;
  • Beschlüsse, welche die Kontrollrechte der Aktionäre über das gesetzlich erlaubte Ausmass hinaus einschränken, oder
  • Beschlüsse, welche die Grundstruktur einer Aktiengesellschaft ausschlagen oder die Bestimmungen des Kapitalschutzes verletzen. (Art. 706b OR)

Lola Leib ist Inhaberin von 52 Prozent der Aktien der Lob AG. Sie möchte die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung beantragen. Dies ist möglich, da Lola Leib über 10 Prozent der Aktienanteile besitzt. Bei der Einberufung, 20 Tage vor Durchführung der GV, hat sie sowohl das ihr am Herzen liegende Traktandum als auch den Antrag  zur Annahme bekannt gegeben. Heiner Herzig ist ebenfalls Aktionär und würde gerne an dieser ausserordentlichen GV teilnehmen, kann jedoch nicht, weil er an dem Tag verhindert ist. Daher hat er eine Vertretung beauftragt. Es handelt sich um einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter. Herr Herzig hat ihm seine Anweisungen für die Generalversammlung zukommen lassen.

Die Generalversammlung der Aktionäre ist das oberste Organ jeder Aktiengesellschaft. Es existieren verschiedene GV-Arten. Verschiedene gesetzliche und statutarische Bestimmungen äussern sich zur Durchführung der Generalversammlung und der damit verbundenen Aktionärsrechte und -pflichten.

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Unser Autor

Rechtsanwälte & Notare Waldmann Petitpierre

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