Lebensretter

Stellen Sie sich vor, ein Mensch befindet sich in Lebensgefahr und ein Passant schreitet nicht ein und lässt das Opfer sterben. Diese moralische Ungerechtigkeit wird auch von Gesetzes wegen geahndet und nennt sich strafbare Unterlassung der Nothilfe. Die strafbare Unterlassung der Nothilfe kann auf drei verschiedene Arten erfolgen: zum einen von Tätern, die dem Opfer zuvor eine Verletzung zugefügt haben, zum anderen gegenüber Personen, welche in Lebensgefahr schweben sowie durch Abhalten von Nothilfe durch Dritte. Die Unterlassung der Nothilfe muss vorsätzlich erfolgen und hat strafrechtliche Konsequenzen. Da eine unterlassene Nothilfe oft mit anderen Taten einhergeht, lohnt es sich zudem, einen Blick auf die Konkurrenzen zu dieser Straftat zu werfen.

Voraussetzungen

Hat der Täter zuvor das Opfer verletzt und erreicht diese Verletzung mindestens das Mass einer einfachen Verletzung, d.h. eine Tätlichkeit reicht nicht aus, so kann er sich der Unterlassung der Nothilfe strafbar machen, sofern er keine Hilfe leistet. Er ist dabei nur zur Hilfe verpflichtet, wenn der Verletzte hilfsbedürftig ist und er nicht auf die Hilfe verzichtet oder bereits von einem Dritten Hilfe erhält. Die Hilfe muss dem Täter zudem zumutbar sein und er muss dazu auch in der Lage sein (sog. Tatmacht). (Art. 128 Abs. 1 StGB)

Art der Hilfe

Die erwartete Hilfeleistung umfasst das Leisten von erster Hilfe, wobei es auf die Schwere der Verletzung ankommt, oder die Alarmierung der Rettungsdienste. (Art. 128 Abs. 1 StGB)

Mitbestrafte Nachtat

Hat der Täter das Opfer vorsätzlich verletzt, so ist das Unrecht der unterlassenen Nothilfe durch die Bestrafung der Körperverletzung bereits abgegolten. Wer daher bspw. eine andere Person verletzt und ihr eine einfache Körperverletzung zufügt und infolgedessen keine Nothilfe leistet, der wird nur wegen der einfachen Körperverletzung verurteilt

Relevanz des Artikels

Der Tatbestand der Unterlassung der Nothilfe in der Konstellation, in welcher der Täter das Opfer zuvor verletzt hat, ist in denjenigen Fällen relevant, in denen die Verletzung auf einer fahrlässigen Körperverletzung beruht.

Voraussetzungen

Jede Person (Täter), die eine andere Person (Opfer) antrifft, die in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, ist gesetzlich verpflichtet, dieser Person (Opfer) zu helfen. Die betroffene Person (Opfer) muss dabei weder verletzt sein, bzw. noch nicht verletzt sein, noch irgendeinen Bezug zum Täter haben. Es reicht daher auch bloss aus, wenn die unmittelbare Lebensgefahr bloss droht

Art der Hilfe

Die Tathandlung besteht darin, dass der Täter nicht hilft, obwohl er die Tatmacht gehabt hätte und ihm die Hilfeleistung zumutbar gewesen wäre. Die Tatmacht hängt dabei oft mit der Psyche des Täters zusammen (bspw. Angst). Die Zumutbarkeit wird verneint, wenn die Hilfeleistung mit grossen Gefahren verbunden wäre. Ob schlussendlich die Hilfe genützt hätte, spielt keine Rolle, da es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, welches keine hypothetische Kausalität verlangt. Der Täter kann daher nicht strafbefreiend behaupten, seine Hilfe hätte sowieso nicht genützt.

Jede Person, welche Drittpersonen davon abhält, dass diese Nothilfe leisten oder diese Drittpersonen bei der Nothilfe behindert, macht sich wegen der 3. Tatbestandsvariante der Unterlassung der Nothilfe strafbar. Dieses Abhalten kann entweder verbal oder tätlich erfolgen, weshalb es sich um ein Begehungsdelikt und nicht ein Unterlassungsdelikt handelt, wie die beiden anderen Tatbestandsvarianten. Aus diesem Grund ist sowohl die Anstiftung, als auch die Gehilfenschaft ebenfalls strafbar und diese werden als eigenständige Täter erfasst.  (Art. 128 Abs. 2 StGB)

Der Täter muss bei allen drei Tatbestandsvarianten der Unterlassung der Nothilfe mit Vorsatz handeln. Damit der Täter überhaupt mit Vorsatz handeln kann, muss dieser Kenntnis über seine eigene Verpflichtung haben sowie über das Wissen verfügen, dass eine unmittelbare Lebensgefahr besteht.

Die Unterlassung der Nothilfe wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Bei einer Unterlassung der Nothilfe kann sich der Täter dadurch nicht auch noch zusätzlich einer versuchten Körperverletzung oder versuchten Tötung durch Unterlassung strafbar machen. Erfolgte die vorsätzliche Körperverletzung oder der vorsätzliche Tötungsversuch vor der Unterlassung der Nothilfe, so macht sich der Täter nicht auch noch nachträglich der Unterlassung der Nothilfe strafbar, da dies eine mitbestrafte Nachtat ist. Dies gilt jedoch nicht bei einer fahrlässigen Körperverletzung, welche in echter Konkurrenz zur Unterlassung der Nothilfe steht.

Claudio spaziert am Wochenende gerne im Wald, da er die Ruhe geniesst. Auf einem Spaziergang trifft er jedoch plötzlich auf Reto, welcher stark blutend am Waldrand liegt, da dieser zuvor mit dem Velo gegen einen Baum gefahren ist. Claudio ist kein ausgebildeter Rettungshelfer, da ihm beim Anblick von Blut schwindlig wird. Da er sich diesem Gefühl nicht aussetzen will, spaziert er einfach weiter und ignoriert Reto. Reto stirbt daraufhin aufgrund seiner Kopfverletzungen. Es stellt sich später heraus, dass Claudio anwesend war, weshalb ein Verfahren wegen Unterlassung einer Nothilfe in der 2. Tatbestandsvariante eingeleitet wird. Claudio macht vor dem Richter geltend, dass ihm keine Tatmacht zukam, da er Angst hatte und deshalb wie gelähmt war und zudem wäre ihm eine Hilfeleistung auch nicht zumutbar gewesen, da er den Anblick von Blut nicht vertrage. Der Richter lässt dies jedoch nicht gelten, da eine Unterlassung der Nothilfe nicht nur durch erste Hilfe, sondern auch durch eine Alarmierung der Rettungskräfte geleistet werden kann. Dies sei ihm zudem auch zumutbar gewesen. Das die Rettungskräfte sowieso zu spät eingetroffen wären spielt keine Rolle, da es sich um ein Gefährdungsdelikt handelt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Hilfe zielführend gewesen wäre. Claudio hat sich der Unterlassung der Nothilfe strafbar gemacht und muss mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe rechnen.

Die strafbare Unterlassung der Nothilfe kann auf drei verschiedene Arten erfolgen: zum einen von Tätern, die dem Opfer zuvor eine Verletzung zugefügt haben, zum anderen gegenüber Personen, welche in Lebensgefahr schweben sowie durch Abhalten von Nothilfe durch Dritte. Die Unterlassung der Nothilfe muss vorsätzlich erfolgen und wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

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