Verbotene Spionage

Spionage kennt man oft aus Krimis, doch auch in der Realität ist dies gang und gäbe. Statt von Spionage spricht das Strafgesetzbuch von verbotenem Nachrichtendienst und kennt dabei den politischen Nachrichtendienst, den wirtschaftlichen Nachrichtendienst sowie den militärischen Nachrichtendienst. Behörden, Beamte oder Politiker erfahren aufgrund ihrer Stellung Tatsachen, die dem Amtsgeheimnis unterliegen können. Falls sie diese weiterleiten, so handelt es sich um eine Verletzung des Amtsgeheimnisses. Eine Abgrenzung zum politischen Nachrichtendienst kann schwierig sein, wie der Fall Christa Markwalder zeigt.

Hintergrund

Im Fall von FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, Mitglied der aussenpolitischen Kommission (APK), geht es um die Weitergabe von Informationen an eine Lobbyistin für Kasachstan.

Die Beratungen der Kommissionen sind vertraulich; insbesondere wird nicht bekannt gegeben, wie die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Stellung genommen oder abgestimmt haben. (Art. 47 ParlG)

 Es stellt sich nun die Frage nach den (strafrechtlichen) Konsequenzen.

Die Ratsmitglieder sind an das Amtsgeheimnis gebunden, sofern sie auf Grund ihrer amtlichen Tätigkeit von Tatsachen Kenntnis haben, die zur Wahrung überwiegender öffentlicher oder privater Interessen, insbesondere zum Schutze der Persönlichkeit oder aus Rücksicht auf ein hängiges Verfahren, geheim zu halten oder vertraulich sind. (Art. 8 ParlG)

Politischer Nachrichtendienst

Falls die Weitergabe von Informationen mit Wissen und Willen geschah und sie wissen musste, dass ihr Verhalten der Schweiz oder seiner Bewohner zum Nachteil gereichen kann, so handelt es sich um einen Fall von politischem Nachrichtendienst. Dies wäre ein Offizialdelikt und die Staatsanwaltschaft müsste von sich aus tätig werden.

Verletzung des Amtsgeheimnisses

Falls die Kommission zum Schluss kommt, dass Frau Markwalder das Amtsgeheimnis verletzt hat, so wird sie, falls ihre Immunität aufgehoben würde, Strafanzeige einreichen. Frau Markwalder müsste das Amtsgeheimnis vorsätzlich verletzt haben. Sie müsste daher darüber im Klaren gewesen sein, dass die Tatsachen geheim waren und sie die Kenntnis darüber nur aufgrund ihrer amtlichen Stellung hatte. Desweiteren musste das Amtsgeheimnis willentlich einem Aussenstehenden zugänglich gemacht werden. Für ein Strafverfahren müsste ihre Immunität aufgehoben werden.

Gegen ein Ratsmitglied kann ein Strafverfahren wegen einer strafbaren Handlung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung oder Tätigkeit steht, nur mit der Ermächtigung der zuständigen Kommissionen beider Räte eingeleitet werden. (Art. 17 ParlG)

Disziplinarmassnahmen

Das Ratsbüro kann zum Schluss kommen, dass die Disziplinarmassnahmen ausreichen und Frau Markwalder disziplinarisch bestrafen.

Verstösst ein Ratsmitglied in schwer wiegender Weise gegen die Ordnungs- und Verfahrensvorschriften oder verletzt es das Amtsgeheimnis, so kann das zuständige Ratsbüro: gegen das Ratsmitglied einen Verweis aussprechen; oder das Ratsmitglied bis zu sechs Monate aus seinen Kommissionen ausschliessen. (Art. 13 Abs. 2 ParlG)

Keine Massnahmen

Je nach Entwicklung der Lage ist es aber auch möglich, dass keine Verletzung des Amtsgeheimnisses vorliegt, weshalb nichts unternommen würde.

Stellungnahme NR Markwalder

Frau Nationalrätin Christa Markwalder nimmt auf ihrer Website Stellung zu den Vorwürfen:

Seit 2010 gehört Kasachstan zur Schweizer Stimmrechtsgruppe in den Bretton Woods Institutionen.Gute Beziehungen zwischen der Schweiz und Kasachstan liegen deshalb im Interesse unseres Landes, wofür ich mich gerne engagiere. Mein aussenpolitisches Interesse für die bilateralen Beziehungen Schweiz-Kasachstan wurde aufgrund der Anzeichen von Demokratisierung im Land geweckt, nachdem ich 2013 zusammen mit fünf anderen Parlamentariern aus drei Parteien an einem Treffen im Bundeshaus teilnahm, an dem Peruashev das Programm seiner Ak Zhol Partei vorgestellt hat, bei dem Menschenrechte, Wirtschaftsfreiheit und Korruptionsbekämpfung im Vordergrund standen. An diesem parlamentarischen Treffen präsentierte sich die Ak Zhol Partei als liberale Opposition in Kasachstan. Dieses Treffen wurde von Marie-Louise Baumann (MLB) organisiert, die ein Mandat bei Burson-Marsteller von dieser Partei hatte. In der Folge reichte ich vor zwei Jahren eine Interpellation ein, die vom Bundesrat korrekt beantwortet wurde und seither im Internet publiziert ist. Zudem reichte ich in der Aussenpolitischen Kommission Fragen ein, die in der Kommission nicht debattiert, sondern vom Bundesrat nur schriftlich beantwortet wurden. Als Kontakt für Themen im Zusammenhang mit Kasachstan diente MLB. Mir gegenüber wurde ungenügend transparent gemacht, wie eng und quasi über jeden einzelnen Schritt eine Abstimmung durch MLB mit welchen Personen in Kasachstan erfolgte. Diesen Vorwurf der Gutgläubigkeit muss ich mir gefallen lassen und darüber ärgere ich mich selbst am meisten– zu meinen Fehlern stehe ich. Es gilt in diesem Zusammenhang klarzustellen, dass

  • ich noch nie in Kasachstan war und auch keinerlei Vorteile daraus gezogen habe, sondern in guter Absicht gehandelt habe

  • keine vertraulichen Kommissionsprotokolle oder dergleichen nach Kasachstan geschickt habe;

  • die schriftlichen Antworten der Verwaltung auf meine Fragen weder vertrauliche noch brisante Informationen enthalten, sondern primär eine Auflistung des Engagements der Schweiz im bilateralen Verhältnis Schweiz-Kasachstan im Bereich Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung ist, die das EDA auch gegenüber der Öffentlichkeit transparent macht;

  • die Art und Weise dieses undurchsichtigen Lobbyings verurteile, zugleich bedaure ich meine Gutgläubigkeit in diesem Zusammenhang;

  • ich mich weiterhin mit voller Kraft und Überzeugung sowie unablässigem Engagement für eine starke Stellung der Schweiz im In- und Ausland einsetzen werde. 

Fazit

Die Beurteilung, welcher Straftat sich Frau Markwalder schuldig gemacht hat, oder ob sie sich keiner Straftat schuldig gemacht hat, wird sich zeigen und kann nicht abschliessend beurteilt werden. In anderen Fällen, bei denen Parlamentarier Amtsgeheimnisse weitergeleitet hatten, wurde manchmal die Immunität aufgehoben und in gewissen Fällen aufgrund fehlender Verhältnismässigkeit abgelehnt.

Definition

Jegliche politische Angelegenheiten, die für die Partei- oder Staatsführung vom fremden Staaten aufschlussreich sein können, sind vom Verbot des politischen Nachrichtendienst betroffen. Ob eine Angelegenheit als politisch angesehen wird, beurteilt sich nach den Interessen des Empfängers (BGE 101 IV 197). Die Spionage muss sich gegen die Schweiz, deren Einwohner (nat. oder jur. Personen), Bürger oder Organisationen (inkl. internationale Organisationen mit Sitz in der Schweiz) richten. Ein Schaden muss nicht eintreten oder drohen, solange sich die Tat gegen diese Schutzobjekte richtet.

Ob die Fakten wahr oder falsch sind, spielt keine Rolle (BGE 101 IV 196), genau so wenig, ob sie geheim sind, solange sie nur einer begrenzten Öffentlichkeit bekannt sind. Diese Informationen dürfen jedoch nur durch besondere Erkundigungen herausgefunden werden, wobei es ausreicht, wenn diese gemeinsam mit anderen Informationen zum gewünschten Ergebnis der Spionage führen (BGE 80 IV 89). (Art. 272 Abs. 1 StGB)

Verbotene Handlungen

Verboten sind folgende Handlungen im Zusammenhang mit dem politischen Nachrichtendienst:

  • Betreibung: Aufforschen von politischen Vorgängen sowie Entgegennahme, Sammlung, Auswertung oder Weitergabe von solchen Meldungen;
  • Einrichtung: Treffen von Vorbereitungshandlungen zur Spionage (bspw. Mittelbeschaffung);
  • Anwerbung von Leuten;
  • Leistung von Vorschub: Tätigkeiten zur Unterstützung. (Art. 272 Abs. 1 StGB)

Handeln im Interesse eines fremden Staates

Um den politischen Realitäten gerecht zu werden, sind jegliche Spionage-Handlungen zugunsten eines fremden Staates, ausländische Parteien oder ausländische Organisation verboten. Zu den ausländischen Organisationen zählen auch supranationale Organisationen sowie Zusammenschlüsse von Personen, die gemeinsam ein politisches Ziel verfolgen (BGE 82 IV 162). (Art. 272 Abs. 1 StGB)

Ob der Empfänger aufgrund der Nachrichten einen Vorteil erlangt, spielt keine Rolle, solange die Fakten für den Empfänger von politischer Bedeutung sein können (BGE 89 IV 208). 

Täter

Der Täter muss vorsätzlich politischen Nachrichtendienst betreiben. Dies bedeutet, dass er mit Wissen und Willen handeln muss und er muss ebenfalls wissen, dass sein Verhalten der Schweiz oder seiner Bewohner zum Nachteil gereichen kann. Eventualvorsatz reicht daher aus. Wer nicht weiss, dass seine Auskunft einem politischen Zweck dient, der handelt nicht mit Vorsatz. 

Strafe

Der politische Nachrichtendienst kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden. (Art. 272 Abs. 1 StGB)

Schwerer Fall

In welchem Fall der politische Nachrichtendienst als schwerer Fall gilt, bestimmt sich nach den Tatumständen. Das Gesetz nennt zwei Beispiele: falsche Berichterstattung oder Aufreizung zu Handlungen, die dazu geeignet sind, die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz zu gefährden. (Art. 272 Abs. 2 StGB

Im schweren Fall beträgt die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr. (Art. 272 Abs. 2 StGB

Definition

Mit dem Verbot des wirtschaftlichen Nachrichtendiensts sollen die Gesamtinteressen der Schweiz geschützt werden. Vom Verbot sind sowohl das Auskundschaften eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Art. 273 StGB), als auch das Zugänglichmachen eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Art. 273 StGB) erfasst.

Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis

Beim wirtschaftlichen Nachrichtendienst geht es nicht um die Werkspionage durch einen Konkurrenten (Art. 162 StGB), weshalb der Täter keine Geheimhaltungspflicht haben muss, sondern um die Abwehr von ausländischer Spionage, die auf Einblicke in Schweizer Betriebe gerichtet ist.

Als Geheimnis zählen wirtschaftlich bedeutende Tatsachen, die nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt waren und die vom Ausland nur mit einiger Mühe festgestellt werden kann. Der betroffene Betrieb braucht an diesen Tatsachen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse sowie ein Geheimhaltungswille. 

Als Abgrenzung zur Werkspionage sind nur Geheimnisse betroffen, die einen Bezug zur Schweiz haben und daher deren Offenlegung die Interessen der Schweiz als Staat schaden. Dies wird bereits bejaht, wenn ein Unternehmer seinen Sitz in der Schweiz hat.

Fabrikationsgeheimnisse sind das technische Wissen eines Unternehmen und beziehen sich auf die Produkteherstellung jeglicher Art. Geschäftsgeheimnisse stellen unternehmerische Tatsachen oder ökonomische Verhältnisse (bspw. Lohn- oder Bankauszüge) eines Unternehmens dar. 

Auskundschaften

Das Auskundschaften eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses ist verboten. Da ein Geheimnisträger das Geheimnis bereits kennt, kann er nicht Täter sein. Es handelt sich um ein Tätigkeitsdelikt, weshalb der Erfolg nicht geschuldet ist. Vorbereitungshandlungen sind straflos.

Zugänglichmachen

Das Zugänglichmachen eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses kann auch durch einen Geheimnisträger ausgeführt werden. Die Tat ist vollendet, wenn der Adressat (fremder Staat, Organisation oder Unternehmen) die Möglichkeit erhält, vom Geheimnis Kenntnis zu erlangen. Es kommt nicht darauf an, ob der Adressat dies in Auftrag gegeben hat, ob die Information für ihn brauchbar ist, oder ob er tatsächlich Kenntnis erhält. Der Versuch ist strafbar. 

Täter

Beide Varianten der wirtschaftlichen Spionage sind Vorsatzdelikte, wobei Eventualvorsatz genügt. Im Falle des Auskundschaftens bedarf es zudem der Absicht, das Geheimnis zugänglich zu machen.

Strafe

Der wirtschaftliche Nachrichtendienst wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Schwerer Fall

Ob ein schwerer Fall vorliegt, beurteilt sich nach der objektiven Schwere der Tat und nicht nach den persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften oder Umstände. (BGE 108 IV 46

Im schweren Fall beträgt die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr. (Art. 273 StGB)

Definition

Die Spionage im militärischen Bereich ist verboten, da das Interesse an der Landesverteidigung geschützt werden soll. Informationen, die eine direkte und unmittelbare Bedeutung haben (bspw. Planung und Organisation der Landesverteidigung, BGE 101 IV 192), sowie Tatsachen, die ihrer Natur nach geeignet sind, militärpolitische Masssnahmen mitzubestimmen, gelten als militärische Nachrichten. (Art. 274 StGB)

Verbotene Handlungen

Verboten sind folgende Handlungen im Zusammenhang mit dem militärischen Nachrichtendienst:

  • Betreibung: Aufforschen von Vorgängen sowie Entgegennahme, Sammlung, Auswertung oder Weitergabe von solchen Meldungen;
  • Einrichtung: Treffen von Vorbereitungshandlungen zur Spionage (bspw. Mittelbeschaffung);
  • Anwerbung von Leuten;
  • Leistung von Vorschub: Tätigkeiten zur Unterstützung. 

Es wird jedes Verhalten erfasst, welches im Zusammenhang mit der Einrichtung oder Betrieb eines militärischen Nachrichtendienstes steht, weshalb weder zwischen Versuch und Vollendung, noch zwischen Anstiftung, Mittäterschaft oder Gehilfenschaft unterschieden wird (BGE 61 I 414). 

Die Nachricht muss weder richtig oder zutreffend sein (BGE 89 IV 207). 

Handeln im Interesse eines fremden Staates

Die Spionage muss für einen fremden Staat betrieben werden, weshalb nichtstaatliche Gruppen als Empfänger nicht betroffen sind, ausser der Adressat ist eine ausländische Partei, bei der von einer Identität mit dem Staat ausgehen muss. (Art. 274 StGB)

Die Spionage muss zum Nachteil der Schweiz betrieben werden, wobei ein eingetretener oder drohender Schaden nicht begriffsnotwendig ist. Der fremde Staat muss ebenfalls nicht zwingend einen Vorteil aus der militärischen Spionage erlangen.

Täter

Die militärische Spionage ist ein Vorsatzdelikt, wobei der Täter wissen muss, dass die jeweiligen Informationen von militärischer Bedeutung sind und diese für einen ausländischen Staat bestimmt sind. Wer bspw. nicht weiss, dass die Informationen einem fremden Staat zukommen, handelt nicht vorsätzlich und bleibt straflos. 

Strafe

Der verbotene militärische Nachrichtendienst wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Korrespondenz und das betreffende Material wird eingezogen. (Art. 274 StGB)

Schwerer Fall

Ob ein schwerer Fall vorliegt, beurteilt sich nach der objektiven Schwere der Tat und nicht nach den persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften oder Umstände. (BGE 108 IV 46

Im schweren Fall beträgt die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr. (Art. 274 Abs. 1 StGB

Definition

Mit dem Amtsgeheimnis soll u.a. das Kollegialitätsprinzip von Behördenmitgliedern geschützt werden. Zwar wurde der Geheimnisgrundsatz mit dem Öffentlichkeitsgesetz gelockert, doch wird dieses zum Schutz von überwiegend privaten oder öffentlichen Interessen eingeschränkt. Der Straftatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses ist ein echtes Sonderdelikt, da es sich nur durch Beamte und Behördenmitglieder (d.h. auch Parlamentarier) erfüllen lässt. (Art. 320 StGB)

Geheimnis

Definition

Als Geheimnis gelten Tatsachen, welche nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt sind und an deren Geheimhaltung die betroffenen Personen ein schutzwürdiges Interesse haben. Dieses Interesse müssen sie zudem ausdrücklich oder stillschweigend bekunden. Beim Amtsgeheimnis steht das Geheimhaltungsinteresse dem Gemeinwesen zu, so dass dieses entscheiden kann, in welchem Umfang ein Geheimnis vorliegt.

Gemeinwesen

Mehrere (kantonale oder nationale) Gesetze legen für bestimmte Geschäfte und für bestimmte Behörden oder Beamte eine Schweigepflicht fest. Das schützenswerte Interesse oder den Willen zur Geheimhaltung braucht es weiterhin. Falls diese Gesetze eigene Strafbestimmungen kennen, so müssen diese analysiert werden. Handelt es sich um eine besondere Strafnorm, so geht diese vor. Die Regelung im Strafgesetzbuch (Art. 320 StGB) bleibt hingegen anwendbar, wenn die Strafnorm nur subsidiär gilt. 

Schützenswertes Interesse

Ein schützenswertes Interesse an der Geheimhaltung kann das betroffene Gemeinwesen oder die Privatperson sein, die aufgrund seiner Zusammenarbeit mit einer Amtsstelle dazu gezwungen ist, persönliche Informationen offenzulegen (bspw. Auskünfte gegenüber Steuerbehörden). Es gilt jedoch zu beachten, dass der Wertgehalt des schützenswerten Interesse sich ändern kann.

Sonderkonstellation

Werden amtlich geheime Verhandlungen veröffentlicht (Art. 293 StGB), so fallen diese Verhaltensweisen nur unter Art. 320 StGB, wenn der Täter ein Mitglied einer Behörde oder Beamter ist und aufgrund seiner Stellung von diesen Geheimnissen Kenntnis erhalten hat. 

Kenntnis vom Geheimnis

Das Geheimnis muss dem Täter anvertraut worden sein aufgrund seiner persönlichen Eigenschaft als Beamter oder Behördenmitglied. Alternativ kann er auch das Geheimnis in seiner Funktion wahrgenommen haben. Wer als Beamter oder Behördenmitglied bereits als Privatperson Kenntnis vom „Geheimnis“ hat, für den gilt das Amtsgeheimnis nicht. Das Amtsgeheimnis ist auch dann noch geschützt, wenn die betreffende Person nicht mehr bei der Behörde oder Verwaltung arbeitet

Offenbarung des Geheimnisses

Das Geheimnis gilt als offenbart, wenn der Täter es einer oder mehreren Personen, die aussenstehend sind, mitteilt oder zugänglich macht. Wer aufgrund seiner Stellung als Behördenmitglied oder Beamter selber zu dieser Information gelangen kann, darf deshalb problemlos über das jeweilige Amtsgeheimnis informiert werden. 

Eine Bestätigung einer Vermutung einer Drittperson ist jedoch nicht zulässig, da dies ebenfalls eine Verletzung des Amtsgeheimnisses darstellt. 

Ein Schaden oder eine Gefährdung von öffentlichen oder privaten Interessen ist nicht vorausgesetzt. (Art. 320 Abs. 1 StGB)

Täter

Der Täter muss das Amtsgeheimnis vorsätzlich verletzen. Er muss daher darüber im Klaren sein, dass die Tatsache geheim ist und er die Kenntnis darüber nur aufgrund seiner amtlichen Stellung hat. Desweiteren muss das Amtsgeheimnis willentlich einem Aussenstehenden zugänglich gemacht werden.

Wer fahrlässig handelt, kann höchstens disziplinarisch geahndet werden. Wer jedoch eine Kenntnisnahme durch einen Dritten in Kauf nimmt, indem er er bewusst eine Unterlassung der Sorgfaltspflichten begeht, der handelt (eventual-)vorsätzlich. (Art. 320 Abs. 1 StGB)

Strafe

Es handelt sich um Erfolgsdelikt. Sobald ein Aussenstehender Kenntnis vom Geheimnis erhält, ist die Tat vollendet. Der Versuch ist ebenfalls strafbar, d.h. wenn bspw. der Aussenstehende noch keine Kenntnis erhalten hat. 

Als Mittäter kommen nur andere Behördenmitglieder oder Beamte in Frage, die ebenfalls aufgrund ihrer persönlichen Eigenschaft Einblick in das Amtsgeheimnis haben. Wer weder Beamter noch Behördenmitglied ist, kann als Gehilfe oder Anstifter ebenfalls der Strafandrohung unterliegen. 

Die Verletzung des Amtsgeheimnisses wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. (Art. 320 Abs. 1 StGB)

Rechtfertigungsgründe

Es existieren folgende Rechtfertigungsgründe: 

  • Einwilligung der vorgesetzten Behörde (Art. 320 Abs. 2 StGB);
  • Gesetzliche Informationsrechte und -pflichten;
  • Notstand;
  • Einwilligung der verletzten Privatperson, sowie
  • bei berechtigten Interessen.  

Die Parlamentarierin Hugentobler wird von einem Vertreter eines fremden Staates angesprochen, ob er ihn nicht mit internen Informationen versorgen kann, die politisch wertvoll sind. Die Parlamentarierin willigt ein und liefert immer wieder wertvolle Informationen. Damit es sich um politischen Nachrichtendienst handelt, müsste Frau Hugentobler mit Wissen und Willen handeln und wissen, dass ihr Verhalten der Schweiz oder seiner Bewohner zum Nachteil gereichen kann. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Statt von Spionage spricht das Strafgesetzbuch von verbotenem Nachrichtendienst und kennt dabei den politischen Nachrichtendienst, den wirtschaftlichen Nachrichtendienst sowie den militärischen Nachrichtendienst. Behörden, Beamte oder Politiker erfahren aufgrund ihrer Stellung Tatsachen, die dem Amtsgeheimnis unterliegen können. Falls sie diese weiterleiten, so handelt es sich um eine Verletzung des Amtsgeheimnisses.

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