Harte Verhandlungen

Im Zuge der SchKG-Revision (Inkrafttreten am 1. Januar 2014) wurde auf grössere Entlassungsvorhaben (z.B. Massenentlassung) eine gesetzliche Sozialplanpflicht eingeführt. Diese gesetzliche Grundlage ist ein Novum, auch wenn eine solche Pflicht bereits in einzelnen GAVs stipuliert war. Selbstverständlich können Arbeitgeber auch auf freiwilliger Basis oder gestützt auf einen GAV Sozialpläne definieren.

Definition

Der Sozialplan ist eine Vereinbarung in welcher der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer die Massnahmen festlegen, mit denen Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt sowie deren Folgen gemildert werden. Häufig kommt der Sozialplan im Rahmen einer Massenentlassung zum Zuge.

Zweck

Der Sozialplan soll Härten für von einer Massenentlassung betroffene Mitarbeiter mildern.

Inhalt

In einem Sozialplan werden üblicherweise folgende Themengebiete abgedeckt:

  • Abgangsentschädigungen
  • Vorzeitiger Ruhestand
  • Beiträge an Umschulungskosten
  • Wiedereingliederung in das Unternehmen
  • Längere Kündigungsfristen
  • Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung (Outplacement) etc.

Einschränkung

 Der Sozialplan darf den Fortbestand des Betriebs nicht gefährden (Art. 335h OR). Diese Einschränkung hat zum Ziel, dass die durch den Sozialplan hervorgerufenen Belastungen die verbleibenden Arbeitsplätze und damit die Existenz des Arbeitgebers auf dem Markt nicht gefährden dürfen. 

Voraussetzungen

Der Arbeitgeber muss mit den Arbeitnehmern Verhandlungen mit dem Ziel führen, einen Sozialplan aufzustellen, wenn er:

  • üblicherweise mindestens 250 Arbeitnehmer beschäftigt; und
  • beabsichtigt, innert 30 Tagen mindestens 30 Arbeitnehmern aus Gründen zu kündigen, die in keinem Zusammenhang mit ihrer Person stehen.

Verweigert die Arbeitnehmerseite die Verhandlungen, liegt keine Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers vor.

Für die Berechnung der Quoren ist – entgegen dem Wortlaut – auf die Betriebseinheit abzustellen: Führt ein Unternehmen mehrere Betriebe und steht es vor einem Restrukturierungsvorhaben, sind die Quoren für jeden Betrieb einzeln festzulegen. Nur für jene Betriebe, welche auf diese Weise die Quoren erfüllen, ist ein Sozialplan zu verhandeln.

Zeitlich verteilte Kündigungen

Zeitlich verteilte Kündigungen, die auf dem gleichen betrieblichen Entscheid beruhen, werden zusammengezählt.

Verhandlungspartner

Der Arbeitgeber verhandelt:

  • mit den am Gesamtarbeitsvertrag beteiligten Arbeitnehmerverbänden, wenn er Partei dieses Gesamtarbeitsvertrags ist;
  • mit der Arbeitnehmervertretung; oder
  • direkt mit den Arbeitnehmern, wenn es keine Arbeitnehmervertretung gibt.

Diese Reihenfolge der Verhandlungspartner ist verbindlich. Es existiert diesbezüglich kein Wahlrecht.

Beizug von Sachverständigen

Die Arbeitnehmerverbände, die Arbeitnehmervertretung oder die Arbeitnehmer können zu den Verhandlungen Sachverständige heranziehen. Diese sind gegenüber betriebsfremden Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet. (Art. 335i OR)

Gemeint sind hier Experten wie Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfern aber auch fachkundige Gewerkschaftsfunktionäre. Dem Arbeitgeber steht das gleiche Recht zu. Jede Verhandlungspartei hat dabei ihre eigenen Kosten zu tragen.

Voraussetzungen

Können sich die Parteien nicht auf einen Sozialplan einigen, so muss ein Schiedsgericht bestellt werden.

Mit anderen Worten wird hier eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit für den Fall bestellt, dass sich die Verhandlungspartner nicht einigen können. Somit kann ein Sozialplan auch gegen den Willen der Parteien erlassen werden.

Bezüglich der Bestellung des Schiedsgerichts verfügen die Parteien über volle Freiheit. Können sie sich dabei nicht einigen, wird die Bestellung vom zuständigen staatlichen Gericht vorgenommen (Art. 353 ff. ZPO). Ebenso nach der ZPO richtet sich das Schiedsverfahren.

Konsequenz

Das Schiedsgericht stellt einen Sozialplan durch verbindlichen Schiedsspruch auf. (Art. 335j OR)

Damit wird der Sozialplan behördlich festgelegt. Allerdings macht Art. 335j Abs. 2 OR weder qualitative noch quantitative Vorgaben bezüglich des Inhalts.

Der Entscheid des Schiedsgerichts ist selbst gegenüber betroffenen Dritten verbindlich. Das hat zur Folge, dass vom Sozialplan erfasste Arbeitnehmer ihre Ansprüche direkt – gestützt auf den Schiedsspruch – gegenüber dem Arbeitgeber erheben können

Die Bestimmungen über den Sozialplan gelten nicht bei Massenentlassungen, die während eines Konkurs- oder Nachlassverfahrens erfolgen, das mit einem Nachlassvertrag abgeschlossen wird. (Art. 335k OR)

Hintergrund dieser Regelung ist, dass ein in der Insolvenz sich befindendes Unternehmen nicht über die finanziellen Ressourcen für einen Sozialplan verfügen wird. Zudem sollen Sanierungsvorhaben durch eine Sozialplanpflicht nicht gefährdet werden.

Je nach Unternehmensgrösse und Anzahl beabsichtigter Kündigungen ist bei Entlassungen ein Sozialplan zu erstellen. Diese Pflicht wird zwangsweise durch ein Schiedsgericht durchgesetzt, sollten sich die Parteien nicht einigen können.

Leider gibt es bezüglich der Zählweise der Anzahl Kündigungen Unterschiede zwischen den Bestimmungen zur Massenentlassung und denjenigen zur Sozialplanpflicht. Folglich kann ein Entlassungsvorhaben möglicherweise zwar den Massenentlassungstatbestand nicht erfüllen, dennoch aber eine Sozialplanpflicht auslösen. Hier empfiehlt sich also der Gang zum Experten.

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Unser Autor

Advokatur für Arbeitsrecht und Datenschutz Orlando Meyer

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