Enteignung für den Bahnbau

Staatliches Handeln kann es notwendig machen, Eigentum von Privaten mittels Enteignung anzueignen. Da es sich hierbei um einen Eingriff in die Eigentumsgarantie handelt, stellt sich dabei die Frage, unter welchen Voraussetzungen ist dies zulässig und inwieweit wird eine solche Enteignung entschädigt? Hier muss zwischen formeller Enteignung, materieller Enteignung sowie entschädigungsloser Enteignung unterschieden werden. Im Besonderen ist auf die Enteignung von Nachbarrechten und die Bemessung der Entschädigung hinzuweisen. Es lohnt sich zudem, einen Blick auf die Spezialfälle zu werfen. Schlussendlich wird noch aufgezeigt, wie das formelle Enteignungsverfahren im Kanton Zürich und im Bund aussieht.

Unter der Eigentumsgarantie wird die Institutsgarantie als Kerngehalt, die Bestandesgarantie sowie die Wertgarantie verstanden. Die Bestandesgarantie hat zur Folge, dass Einschränkungen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, im öffentlichen Interesse  und verhältnismässig sein müssen. Die Wertgarantie löst schliesslich die Entschädigungspflicht aus. (Art. 26 BV)

Definition

Eine formelle Enteignung ist ein Hoheitsakt, bei dem geschützte vermögenswerte Rechte vollumfänglich oder teilweise entzogen oder beschränkt werden, indem sie auf einen Dritten übertragen oder getilgt werden. 

Enteigner

Bei der formellen Enteignung tritt entweder das Gemeinwesen für sich selber oder für einen Dritten als Enteigner auf. Dritte können ebenfalls als Enteigner auftreten, sofern ihnen dieses Enteignungsrecht übertragen worden ist zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe.

Gegenstand

Es können nicht nur geschützte vermögenswerte Rechte des Zivilrechts, wie das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte, Besitz, obligatorische Rechte aus Vertrag und Immaterialgüterrechte enteignet werden, sondern auch wohlerworbene vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, faktische Interessen und nachbarrechtliche Abwehransprüche. 

Voraussetzung

Die formelle Enteignung ist ein Eingriff in die grundrechtsgeschützte Eigentumsgarantie, weshalb sie nur zulässig ist, wenn eine genügende gesetzliche Grundlage in Form eines Gesetzes im formellen Sinn besteht. Das Enteignungsgesetz (EntG) reicht hierzu nicht aus. Desweitern muss ein öffentliches Interesse an der Enteignung bestehen und diese verhältnismässig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar sein.

Entschädigung

Die formelle Enteignung hat volle Entschädigung zur Folge (Art. 26 Abs. 2 BV), was in Form einer Geldleistung entrichtet wird, nie jedoch als Realersatz. Der Wert der Entschädigung berechnet sich entweder nach objektiven Kriterien, d.h. dem Verkehrswert, oder nach subjektiven Kriterien, d.h. dem Ertragswert.

Ablauf

Zu Beginn erfolgt ein Entscheid darüber, ob eine Enteignung durchgeführt wird, indem u.a. die Voraussetzungen geprüft werden. Anschliessend werden im Planauflageverfahren die Planunterlagen zwecks Einsicht aufgelegt. Dies ergibt die Möglichkeit, Forderungen anzumelden und Einsprachen zu erheben, welche sich gegen die Pläne und den Umfang richten. Im folgenden Einigungsverfahren können sich die Parteien einigen, ansonsten folgt der Entscheid über die Einsprache und Entschädigung durch die Leitbehörde im koordinierten Verfahren oder durch das zuständige Departement. Schlussendlich wird die Enteignung vollzogen. Die Rechte gehen mit der Bezahlung der Entschädigung auf den Enteigner über.

Definition

Das Bundesgericht (BGE 111 IB 257) unterscheidet bei der Umschreibung der materiellen Enteignung zwei verschiedene Tatbestände. Der erste liegt vor, wenn einem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch seiner Sache untersagt oder besonders schwer eingeschränkt wird, weil dem Eigentümer eine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird.

Der zweite ist gegeben, wenn ohne Entzug einer wesentlichen Eigentümerbefugnis ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der Rechtsgleichheit unvereinbar wäre, wenn hiefür keine Entschädigung geleistet würde (sog. Sonderopfer, BGE 110 Ib 32 E. 4)

Vorgehen

Bei der materiellen Enteignung gilt es zu prüfen, ob die Eigentumsbeschränkung zulässig ist. Sie ist nur zulässig, wenn eine genügende gesetzliche Grundlage (mindestens Verordnung bei leichtem Eingriff, BGE 111 1a 98). Desweitern muss ein öffentliches Interesse bestehen und die Enteignung verhältnismässig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar sein.

Anschliessend wird geprüft, ob eine materielle Enteignung gemäss Definition vorliegt. Liegt dies vor, so wird untersucht, ob diese eine Entschädigungspflicht nach sich zieht.

Entschädigung

Die materielle Enteignung hat volle Entschädigung zur Folge (Art. 26 Abs. 2 BV), was in Form einer Geldleistung entrichtet wird, nie jedoch als Realersatz. Der Wert der Entschädigung berechnet sich entweder nach objektiven Kriterien, d.h. dem Verkehrswert, oder nach subjektiven Kriterien, d.h. dem Ertragswert.

Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie hat nicht immer Entschädigungsfolgen. Wiegt der Eingriff nicht so schwer, als dass eine materielle Enteignung vorliegen würde, so ist keine Entschädigung geschuldet. Dies gilt ebenfalls für polizeilich motivierte Einschränkungen, ausser es handelt sich um einen besonders schweren Eingriff und dieser Eingriff primär zum Schutz der Allgemeinheit erfolgt.

Bei nachbarrechtlichen Abwehransprüchen wird auf dem Grundstück des Enteigneten zwangsweise eine Dienstbarkeit zugunsten des Enteigners eingetragen. Diese Dienstbarkeit hat zum Inhalt, die übermässigen Immissionen zu dulden (Art. 684 ZGB). 

Stammen die Immissionen aus dem Betrieb eines öffentlichen Werkes oder aus der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und sind diese Immissionen untrennbar mit dem bestimmungsgemässen Betrieb dieses Werkes verbunden, bzw. lassen sie sich nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand vermeiden, so liegt eine formelle Enteignung vor. Andernfalls kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen und Schadenersatz verlangen (Art. 679 ZGB).

Diese Enteignung ist nur dann entschädigungspflichtig, wenn die Einwirkung übermässig ist. Die Übermässigkeit wird dann bejaht, wenn die Einwirkung unvorhersehbar war und der Betroffene in spezieller Weise von den Immissionen beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigung muss bei ihm zudem einen schweren Schaden zufügen (Minderwert von 10%).

Die Entschädigung bemisst sich entweder nach dem objektiven Verkehrswert oder dem subjektiven Ertragswert. Allfällige Vor- und Nachteile sind anzurechnen. Im Kanton Zürich gilt zudem, dass ein Unfreiwilligkeitszuschlag von max. 20% bezahlt werden kann.

Auszonung

Eine Auszonung kann Entschädigungsfolgen auslösen, falls dem Grundstück die Baulandqualität zugesprochen wird. Ausschlaggebend ist, wie hoch die Realisierungswahrscheinlichkeit gewesen ist.

Nichteinzonung

Wird ein Grundstück nicht in eine Bauzone umgezont, so löst dies keine Entschädigungspflicht aus, ausser es handelt sich um überbautes oder grob erschlossenes Land, welches von einem gewässerschutzkonformen generellen Kanalisationsprojekt erfasst wird und bereits erhebliche Kosten für die Überbauung und Erschliessung aufgewendet wurden. 

Administrativverfahren

Wird das Enteignungsrecht für ein öffentliches oder privates Unternehmen verlangt, so muss dies mittels Gesuch (samt Plan des Projektes) beim Regierungsrat beantragt werden (Art. 21 AbtrG ZH). Der Regierungsrat prüft dieses im Bezug auf die öffentlichen Interessen. Bevor er das Enteignungsrecht erteilt oder beim Kantonsrat beantragt (bei privaten Unternehmen), wird das Projekt öffentlich (Amtsblatt) bekannt gemacht und eine Frist angesetzt, in welcher Einsprachen gegen die Erteilung des Expropriationsrechts eingereicht werden können. Bei den Einsprachen geht es nur um die Frage, ob das öffentliche Interesse eine Enteignung rechtfertigt, wobei alle betroffenen Privaten legitimiert sind.

Der Bezirksrat nimmt nach Abschluss der Frist Stellung zu den Einsprachen, was der Funktion eines Gutachtens an den Regierungsrat entspricht. Bei öffentlichen Unternehmen als Expropriant entscheidet der Regierungsrat (Art. 3 lit. a AbtrG ZH), wobei gegen diesen Entscheid die Beschwerde an das Verwaltungsgericht (Art. 41 AbtrG ZH) und anschliessend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offensteht. Handelt es sich hingegen um ein privates Unternehmen, so entscheidet der Kantonsrat auf Antrag des Regierungsrates (Art. 3 lit. b AbtrG ZH).

Die Phase der Erteilung des Enteignungsrechts findet nicht statt, falls der Kanton der Expropriant ist, da ihm dieses Recht von Gesetzes wegen zusteht. Einwendungen gegen die Enteignung können in einem solchen Fall daher nur im Planauflageverfahren erhoben werden.

Planauflageverfahren

Wurde das Enteignungsrecht erteilt, so ist das Projekt auszustecken (Art. 22 AbtrG ZH) und der Plan aufzulegen (Art. 22 AbtrG ZH). Der Gemeinderat hat den Plan anschliessend bekannt zu machen (Art. 23 AbtrG ZH), meistens mittels Amtsblatt. Während den folgenden 20 Tagen nach der Bekanntmachung können Einsprachen gegen Art und Umfang der Enteignung sowie Entschädigungsbegehren eingegeben werden (Art. 23/24 AbtrG ZH). Ebenfalls dürfen aufgrund des Enteignungsbanns ohne Zustimmung des Enteigners keine Verfügungen mehr über das Enteignungsobjekt vorgenommen werden, falls dadurch die Enteignung erschwert würde.

Einigungsverfahren

Nach Ablauf der Einsprachefrist hat der Enteigner mit den Einsprechenden einen Einigungsversuch über die Art und Umfang sowie Entschädigung durchzuführen  (Art. 29 AbtrG ZH). Kommt es zu einer Einigung, so hat dieser Expropriationsvertrag (verwaltungsrechtlicher Vertrag) die gleiche Wirkung wie ein Urteil der Schätzungskommission.

Kommt es hingegen nicht zu einer Einigung, so entscheidet über den Umfang und Art der Expropriation der Bezirksrat (Art. 30 AbtrG ZH). Gegen diesen Entscheid steht der Rekurs an den Regierungsrat (Art. 30 AbtrG ZH) mit anschliessender Beschwerde an das Verwaltungsgericht offen sowie die nachfolgende Beschwerde in öffentlich-rechtlicher Angelegenheit ans Bundesgericht.

Über die Entschädigung und die Beiträge wird ein Schätzungsverfahren durchgeführt, welches beim Statthalter eingeleitet wird (Art. 39 AbtrG ZH), der dies an die Schätzungskommission zustellt. Anschliessend findet die Einigungsverhandlung vor der Schätzungskommission statt (Art. 41 AbtrG ZH), welche über die Höhe der Entschädigung entscheidet (Art. 42 AbtrG ZH). Fällt der Entscheid für eine Partei nicht befriedigend aus, so kann diese einen Rekurs beim Verwaltungsgericht innert 20 Tagen anmelden (Art. 46 AbtrG ZH), welches ihr dann eine Frist zur Einreichung der Rekursschrift gibt. Gegen diesen Rekursentscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen.

Vollzug der Abtretung

Nach Bezahlung der Entschädigung geht das Recht zum Zeitpunkt der Bezahlung von Gesetzes wegen über. Die Änderung im Grundbuch hat daher nur deklaratorische Wirkung.

Administrationsverfahren

Der Bundesrat entscheidet über die Ausübung des Expropriationsrechts. Gegen diesen Entscheid steht kein Rechtsmittel offen, jedoch im Rahmen von Beschwerden gegen den Einspracheentscheid. Die Übertragung an Dritte ist zulässig aufgrund eines Bundesbeschlusses oder Bundesgesetzes, wobei diesfalls das in der Sache zuständige Departement entscheidet. Dies kann ebenfalls mittels Konzession durch die Konzessionsbehörde geschehen. 

Planauflageverfahren

Es folgt wiederum die Aussteckung, die Planauflage und die öffentliche Bekanntmachung durch den Gemeinderat, gefolgt von der Möglichkeit, Einsprachen gegen die Pläne oder den Umfang der Enteignung zu erheben sowie Forderungen anzumelden. 

Einigungsverfahren

Die Einigungsverhandlung wird durch den Präsidenten der Schätzungskommission geführt. Führt die Verhandlung zu einer Einigung im Form eines Expropriationsvertrags, so kommt diesem die Stellung eines verwaltungsrechtlichen Vertrags zu. Aus diesem Grund hat er die gleiche Wirkung wie ein Urteil der Schätzungskommission.

Gelingt im Rahmen der Einigungsverhandlung keine Einigung, so findet das Einspracheverfahren vor der der Leitbehörde oder dem zuständigen Departement statt, welches dann über das Projekt und den Umfang der Enteignung entscheidet. Gegen diesen Entscheid steht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und anschliessend an das Bundesgericht offen.

Bezüglich sonstiger Fragen (bspw. Höhe der Entschädigung) findet das Einspracheverfahren vor der Schätzungskommission statt. Gegen deren Entscheid steht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und anschliessend an das Bundesgericht offen.

Vollzug der Abtretung

Nach Bezahlung der Entschädigung geht das Recht zum Zeitpunkt der Bezahlung von Gesetzes wegen über. Die Änderung im Grundbuch hat daher nur deklaratorische Wirkung.

Eine Enteignung kann entweder eine formelle oder eine materielle sein. Bei der ersten Variante werden durch ein Hoheitsakt, geschützte vermögenswerte Rechte vollumfänglich oder teilweise entzogen oder beschränkt, indem sie auf einen Dritten übertragen oder getilgt werden. Bei der zweiten Variante wird zwischen dem Entzug einer wesentlichen Eigentumsbefugnis und dem Sonderopfer unterschieden.

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Kommentare

  1. Florian Küenzli

    Frage: Ist, Ihrer Meinung nach, eine Enteignung bei einem Behördlichen Einschreiten i.V.m. der Beschlagnahme von Tieren (Art. 24 TSchG) denkbar? Würde das Eigentum somit auf die zuständige Behörde übergehen?

    Grüsse

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